Inari: Pfade die zu einer Sauna führen
Der See entfaltet seine Ufern spärlich im dichten Nebel. Das Wasser bewegunglos, doch verursacht es das einzige Geräusch des Waldes. Der Regen der Nacht ist am Morgen abgeebbt, nun lassen die Bäume das nasse Gut beständig zu Boden fallen. Der Aufprall der Tropfen auf der glatten Oberfläche des Sees entzaubert der Luft den Klang eines Windspiels aus Bambus, der Waldboden selbst kreiert ein Trommeln auf Papier. Die zarten Schläge aus nah und fern, aus kleiner und großer Höhe klopfen stets anders, ihr Intervall wie eine wirre Melodie.
Der improvisierte Kaffee schmeckt nach einer Nacht auf einer Holzbank in einer einfachen Schutzhütte wie ein eiskaltes Bier bei 40° Hitze – genau richtig. Ich stehe auf der Veranda und blicke in die Höhe. Die Wolken werden heute nicht vergehen, das dunkle Grau hat den Sonntag fest im Griff. Ich packe meine Schale in den Rucksack und schultere meine Mitbringsel für ein Wochenende auf den Trails um Inari.
Von Ivalo sind es gute 40 Kilometer nach Inari. Ein norwegischer Musiker nimmt mich im Auto mit. Er ist auf der Heimfahrt von Kopenhagen, wollte seine wertvollen Instrumente nicht per Flugzeug aufgeben und macht jetzt ein paar Wochen Pause von intensiven Aufnahmen für ein Album bei Universal Records in einem der besten Studios der Welt.
Von Inari sind es nicht einmal zehn Kilometer zu meinem ersten Ziel. Die märchenhafte Landschaft aus verwachsenen Kiefern und überwucherten Granit-Felsen lassen mich träumen. Auf dem weichen, von Wurzeln dominierten Pfad bleibe ich hin und wieder stehen und lausche. Ruhe, sagenhafte Stille. Dann eine Krähe, die wie ein Holz-Xylophon klingt, etwas später das ruhige Plätschern eines Baches. Gute zwei Stunden geht das so, bevor ich an meiner Schutzhütte ankomme. Ich bin überrascht. Gas, Kocher, Feuerholz, Tisch und Dach, alles da und umsonst. Wenig später entdecke ich in einem anderen Schuppen eine Sauna. Das gibt es nur in Finnland.
Es ist schon dunkel, ich mache mich für die Nacht bereit, kommen noch zwei Frauen zur Tür herein. Sie sind schon seit vier Monaten auf Wanderschaft quer durch Finnland. Wir unterhalten uns beim improvisierten Abendessen, wundern uns über die Plus-Grade an diesem Tag. Wir lassen das Feuer sein und kriechen in die Schlafsäcke.
Am nächsten, besagten Nebel-Morgen marschiere ich von Inari flussaufwärts zu einer Hängebrücke. Niemand zu sehen, bis ich bei einer Schutzhütte auf den Wart dieser Einrichtungen treffe. Bei einem Feuerchen unterhalten wir uns über Trekkingkultur, Eigentümerverhältnisse in Lappland und seine Arbeit. Als Dankeschön darf ich ihm einen Evaluierungsbogen ausfüllen. Mache ich gerne, dann wechsle ich über die Brücke auf das andere Ufer und finde meinen Weg nach Inari zurück. Wieder habe ich per Anhalter Glück, ein Finne, der nach dem geeigneten Grundstück ‚weit weg von allem‘ sucht, nimmt mich fast bis zur Haustüre mit. Einkauf im Supermarkt inklusive.