Ivalo: Grey Ice
Unwillig schlüpfe ich aus dem Schlafsack. Ich bin schon lange wach. Die Kälte hat mich aufgeweckt, ich habe gefroren und mußte eine Jacke im Bett anziehen. Die Augen tränen ein wenig und gefrieren im Bart. In der Ferne höre ich Hunde, aber es sind nicht unsere. Eine Husky-Farm einen Kilometer weiter, mit mehr als einhundert Tieren. Alles ist an diesem Morgen klarer und lauter zu vernehmen, Flugzeuge und Laster von der Überlandstraße hinter dem Hügel. Ich schlüpfe aus dem Schlafsack in eine kalte Hose, in eine weitere kalte Jacke, in die kalten Schuhe. Ich will mich umdrehen, aber die Schuhe sind am Boden angefroren.
Draußen blinzelt die Sonne auf einen anderen Waldhügel, und Hundur wartet schon Schwanz wedelnd vor der Yurte auf mich. Ihm scheint die Kälte noch mehr Ansporn zu geben. Das Leben im Norden des Polarkreises ist anders. Wenn ich nachts aus dem Zelt muss, weil ich den Toilettengang nicht mehr verschieben will, dann stehe ich im Wald und blicke am Gebüsch in den Sternenhimmel und sehe ein Nordlicht. Zwei Minuten später bin ich wieder im Zelt. Aber es ist nicht das Nordlicht, nicht die Taiga, nicht die Tundra, die die Arktis für mich definieren. Es ist das nächtliche Heulen der Schlittenhunde, das den hohen Norden für mich repräsentiert.
Seit letzter Nacht liegt der Schnee leicht verstreut auf dem stärker gewordenen Eis des Tümpels. Der Teichboden ist nicht mehr zu sehen, alles hat sich in ein Grau verwandelt. Das zwei Zentimeter dicke Eis ist noch zu wenig um mich zu tragen, aber leicht genug, um für den Saunagang aufgebrochen zu werden. Die Sauna, der kleine Höhepunkt der Woche – auftauen, Wäsche waschen, Körper pflegen. Die kleinen Freuden sind die wertvollsten.