Shiraz: Hotel California
Der Wagen setzt sich in Bewegung. Die Fensterscheiben sind nach unten gefahren, unsere Ellbogen stechen nach draußen, warmer Wind weht in das Innere. Es ist kurz nach Mitternacht. Die Stadt leuchtet in allen Farben, der Verkehr ist weiterhin dicht und aus den Lautsprechern drönt ‚Hotel California‘ in einer neuen, etwas eigenartigen Beat-Version. Es ist laut und es hämmert und das ist gar nicht so schlecht. Wir brausen in die Nacht von Shiraz. Es könnte in einer Metropole überall auf der Welt sein, aber unser Auto hat eine iranische Nummer.
Vor wenigen Stunden bin ich aus Erbil hier angekommen. Der Flughafen ist winzig, der Pass dank Visa schnell abgestempelt. Gleißende Sonne empfängt mich. Ich schaue mich um, alles auf Farsi, nicht einmal die Zahlen sind auf Arabisch. Dem Taxilenker, der kein Wort Englisch spricht, zeige ich meine in seiner Sprache vorbereitete Zieladresse. Es geht los.
Am Abend weile ich mit Farid über der Stadt in einer Park voller Pavillons, die bald alle von Familien besetzt sind. Es ist Donnerstag Abend und das Wochenende steht vor der Tür. Morgen wird ausgeschlafen. Farid packt seine Camping-version einer Shisha-Pfeife aus. Der Himmel ist dunstig und wir sehen nicht sehr weit. Griller werden überall angeworfen, Selfies geschossen. Pärchen machen es sich auf mitgebrachten Teppichen gemütlich. Farid studiert, für mich eine nicht nachvollziehbare technische Materie von Elektrostatik und moderner Kleidung. Träumt von einem PhD Stipendium im walisischen Swansea. Und ich von einem kalten Bier.
Nach dem späten Abendessen bei seiner Familie rauschen wir in seinem weissen Peugot durch die Straßen von Shiraz. Auf dem Rücksitz zwei Mädels. Es wird viel gelacht und Farid macht sich einen Ruf als Rennfahrer. Auf dieses Date hatte er schon eine Weile gewartet. Das kann ich mir nicht entgehen lassen – eine Studie im persischen Turteln bekomme ich nicht alle Tage geboten. Wir sitzen bald in einem Lokal unter freiem Himmel. Wir haben ein Pavillon für uns allein, die drei ziehen an der Shisha, ich trinke ’ne Soda. Während ich von meinen Reisen, Österreich und Bergen schwafle und mein Gegenüber mein Alter freundlicherweise auf 39 schätzt, kommen sich Farid und seine Angebete in der anderen Ecke näher. Sie liegen Arm in Arm auf großen Polstern und grinsen sich an. Es wird ein erfolgreicher Abend für ihn. Später, als wir sie wieder zuhause abladen, irgendwann am frühen Morgen, wird am Gehsteig geschmust. Ich hake auf dem Nachhauseweg nach, und Farid erklärt mir, dass auch innerhalb des Landes große Unterschiede bestehen, was toleriert wird und nicht. Shiraz scheint neben Teheran die Hochburg des liberalen Lebensstil zu sein. Ich gebe mich mit dieser Auskunft zufrieden, notiere das in meinem Kopf.
Shiraz, das ist auch Persepolis. Rund 70km auf einer guten Straße entfernt steht dieses UNESCO Weltkulturerbe in der prallen Sonne. Eine Palastanlage unter den großen Herrschern des einst mächtigen Perser-Reiches, das sich von Nordafrika zum Indus, vom Aralsee zum Golf und bis in das heutige Bulgarien erstreckte. An diesem arbeitsfreien Tag finden sich dennoch nicht allzu viele Menschen ein. Der Eintritt ist fast geschenkt, die Dimensionen der Anlage großzügig (weit nicht so groß wie Angkor Wat und nicht so gut erhalten wie Balbeek). Ich schaue mich um, so gut es unter dieser Hitze geht. Später torkle ich müde aus dem Wagen in mein Bett. Ein Nachmittagsschläfchen ist jetzt gerade das Richtige.