Erbil: Alles dreht sich um das Geschäft. Fast alles.
Ich arbeite wieder, wie in den letzten Monaten, gegen Kost und Logis. War eigentlich nicht geplant, zumindest nicht in Erbil. Aber aus dem einen ergibt sich das andere, und am Ende ist es für beide vorteilhaft: ich entdecke ein Land für kein Geld, der andere bekommt Know-How, für das er teuer zahlen müsste.
Was mich erstaunt, zumindest in dieser Dimension: hier ist mit Wissen, Flexibilität und Anpassungsgabe viel Geld zu machen. Ich meine, viel Geld. Wie, das ist eine andere Geschichte, aber im Nahen Osten geht es meistens um drei grundlegende Dinge: Ehre, Loyalität und Vertrauen. Wenn man das begriffen hat, dann stehen viele Türen offen. Jordanien und Libanon waren für mich solche Beispiele, und das wiederholt sich hier in Kurdistan wieder.
Ich mache mich auf den Weg. Ob morgens, mittags oder abends, das ist, was die Temperatur betrifft, für mich ziemlich gleich: es ist heiß. An den Unterschied zwischen 39°C und 44°C habe ich mich noch nicht gewöhnt. Es ist eine trockene Hitze und auch nach einem Fußmarsch von einer Stunde schaue ich noch anständig genug aus, dass ich mich in den Bazar traue. Ein fantastisches Gewirr aus Geschäften, Menschen und Gerüchen, Geräuschen und Berührungen. Der Strom der Menschen schiebt mich von einem Ende zum anderen. Ich suche nichts Bestimmtes, will nur eintauchen, mich treiben lassen, aufsaugen, das alte Erbil inhalieren.
Die wieder restaurierte Zitadelle von Erbil
Auf dem Nachhauseweg schlendere ich bedächtig durch die Bakhtiari Straße, ein Außenbezirk, dreistöckige Häuser mit Flachdach und grünem Mittelstreifen auf der Fahrbahn. Die meisten Geschäfte sind Schönheitssalons, neben den vielen Praxen von Schönheitschirurgen. Und ein paar Metzger sind auch dabei (bei einem Laden bin ich mir nicht sicher, ob sich der Eigentümer des Sarkasmus bewußt ist, den sein Geschäftsname wohl aufwerfen muss: „Aleppo Butcher“).
Dass in Erbil viel Geld mit Schönheit zu machen ist, ist offensichtlich. Ein Zufall? Gewiss, und auch nicht. Schönheitschirurgie im Nahen Osten boomt. Am Gate in Istanbul liefen mir ständig junge Frauen unter die Augen, deren Nasen, Ohren, Augen mit großen Pflastern abgedeckt waren. Beinahe jede von ihnen war Kopftuchträgerin. In Erbil finden sich in jeder Einkaufsstraße Kosmetik-Läden, westliche Marken, teures Make-up, und der Bazar quilt über von Schmuckgeschäften. Was bleibt da den Männern über? Ein landestypischer Kleidungssil (dezente Farben, kleiner Turban, lange Hosen mit einem nicht allzu breiten Tuch, das um den Bauch gewickelt wird) und Teehäuser, in denen getrunken und geraucht wird. Ein exklusiver Ort.