Ligurische See: von Schnee zu Wasser
Schnee hat immer eine wundersame Wirkung auf mich ausgelöst. Wie ich es in einem unveröffentlichtem Buch gelesen habe, kennt es beinahe unendlich viele Grundformen und Zustände: hart und weich, trocken und feucht, locker und hart, körnig und platt. Schnee ist ständig in Veränderung, er löst sich auf und bildet sich immer wieder neu. Schnee glitzert in der Sonne und leuchtet in der Nacht. Schnee kann die Landschaft gestalten und manchmal den Kontrast für die Augen dermaßen reduzieren, dass einem das Stehen schwer fällt. Schnee kann sich auftürmen, Schnee kann sich zu reißenden Flüssen verwandeln. Hier in der Ligurischen See, da gibt es nichts davon.
Und doch vermisse ich es nicht. Das liegt nicht daran, dass ich es nicht mehr mag, sondern vielmehr dass das Wasser des Ligurischen Meeres ebenso viele Formen annehmen kann. In ruhiger See verwandelt es sich in eine scheinbar dichte, zähflüssige Masse, die eher Plasma gleicht als Wasser. Es spiegelt in der Sonne nicht blau, sondern ist überzogen von einer metallenen, grauen Lasur, einem flüssigen Silber, auf dem Sonnenstrahlen als einzelne, leuchtende Punkte tanzen. Diese Masse fließt nicht, sondern wir segeln hindurch, wie ein Fährmann mit seinem Boot ein ruhiges, breites, mit Bodennebel bedecktes Gewässer übersetzt. In diesem Teil des Mittelmeeres sind wir Fährmänner geworden, blicken über eine in Stillstand geratene Masse, die auf wundersame Weise unser Gefährt zwischen Himmel und Tiefe hält. Es ist schwer zu verstehen, dass diese Masse Leben enthält, aber wir sehen es mit eigenen Augen, als uns eine Walfamilie an Starbord begrüßt und weiter weg eine Delfinschule Hallo sagt.
Log: Tag 9 Ganesha, 5. Seetag