Patalsu: die immergrüne Eiche des Himalaya
Im Morgengrauen ist die Stille das einzige Geräusch, das im Solang Valley zu hören ist. Die Ski sitzen festgezurrt am Rucksack, die Skistiefel versuchen das beste aus der schmal ausgetretenen Spur zu machen, die sich durch den Wald entlang des Baches schlängelt. Eine kleine Holzbrücke, dann eine zweite, der Weg steigt hoch in das winzige und ursprüngliche Solang Dorf. Irgendwo kräht ein Hahn, woanders dringt dunkelgrauer Rauch aus einem Schlot in den Himmel. Der stufige Weg ist verschneit und zwischen den Häusern ist er nicht zu unterscheiden von einem Hofweg oder dem Durchgang, den ich suche. Pferde schauen mich an, die Hunde, die Kinder. Während die Männer sich auf den Weg zur Skistation machen, um dort ihr Geld mit Dienstleistungen aller Art zu machen, beginnen die Frauen mit der Zubereitung für das Mittagessen. Ich balanciere zwischen den Häusern hinaus in den Hang, wo der Weg aufhört und eine alte Fußspur mir für die nächste halbe Stunde den Weg weisen wird – wohin, das sagt er mich nicht.
Das Bergdorf Solang
Überall Linien, überall steilt der Fels in die Höhe
Die Perle dieser Tour ist nicht der Gipfel – den ich eine gute Wegstunde darunter sein lasse: es beginnt zu schneien und der Gipfel verschwindet in den Wolken. Nein, das Geschenk dieser Tour ist der Wald. Pinien und Eichen prägen diese Landschaft. Das Weiß des Schnees vor dem Hintergrund des Grün und Braun der weit ausladenden, alten Bäume, die in großem Abstand voneinander ihr Leben hier oben verbringen. Die Eichen sind immergrün – eine Besonderheit der Quercus leucotrichophora. Immer wieder teilen Steilstufen das Gelände in kleine, überschaubare Portionen. Umgestürzte Stämme bilden natürliche Barrieren, an denen ich mich vorbei arbeite. Große Boulder, riesige Wurzeln, Kuppen und Mulden sind Elemente, die meine Skispur bestimmen und wie Kunst aussehen lassen. Als wäre es ein Zen-Garten, den ich an einem Vormittag im März meine Note gegeben habe.
der Wald beginnt kurz über dem Dorf…
… und geht langsam in eine baumlose Alplandschaft über
Ich verlasse den Wald, spure nun im tiefen Schnee, der gestern gefallen war, über die Alpwiesen unter dem Patalsu. Die Sonne brennt herunter und macht mich träge, ich ziehe alles aus und kämpfe gegen den Durst, hoffe auf Wolkenschatten und bekomme diesen etwas später, der sich zu Schneewolken verdichtet und mein Gipfelziel außer Reichweite bringt. Es stört mich nicht umzudrehen, denn der Wald mit seiner Abfahrt wartet auf mich. Auch wenn der Schnee unter dieser Sonne schnell faul geworden ist, die Steilheit verschafft mir kurze Schwünge und luftige Sprünge.
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Über dieses Blog
"Super gsi - Beginner's Mind" berichtet über Mark's Reisen und Outdoor-Aktivitäten, meist Skitouren, Bergsteigen und Bike-Touren. Mehr dazu hier...
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[…] einer unwahrscheinlich langen Zeit stehe ich wieder auf den Ski. Das letzte Mal im Himalaya, 2017! Es ist natürlich etwas anderes, in den Karpaten herumzutappen. Aber nach so langer Zeit ist […]
[…] musste einfach wieder in diesen Wald. Die Nacht brachte Frost und Neuschnee, der Morgen um 04.30 ein Gähnen und den Blick in den […]
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