India: Nothing Compares to You
Indien ist kein Neuland für mich (1997, 2009), aber das Feuerwerk der Überraschungen ist auch diesmal grenzenlos. So sitze ich stundenlang unter einem Baum in Delhi, trinke Caj und gaffe in die versammelte Menge des Spätnachmittags, welche sich einen Snack nach dem anderen gönnt. Männer wie Frauen, in traditioneller und moderner Kluft, mit gefärbten oder keinen Haaren, tratschen und essen. Gasflaschen-Lieferanten, die mit Fahrrädern kommen, Müllsammler, Busfahrer, Hausfrauen mit Kindern in Schuluniform, Studenten in Sneakers und wildem Haarschnitt, viele von ihnen noch immer bunt am Kopf gefärbt wie Ostereier, ein Übrigbleibsel des gestrigen Holi-Fests. New Delhi ist grün und weit gefächert, mit breiten, geraden Straßen, hohen Gehsteigen und viel höheren Mauern und Zäunen; das Alte Delhi ist dagegen ein Termitenhaufen von Häuserzeilen und Stromleitungen, die sich generisch fortpflanzten, wo sie einst gebraucht wurden. An diesen Meilen spielt sich das traditionelle, indische Stadtleben ab, ein Gemenge am Straßenrand: waschen, kochen, schlafen.
Übernächtigt vom Flug durchlaufen wir die Stadt, suchen uns eine Couch im Schutz eines Foyers für ein Nickerchen, warten auf den Fernbus, der uns durch die nächste Nacht bringt, nach Manali, in den Himalaya von Himachal Pradesh, das Land des Schnees. Es ist ein enges Tal mit vielen Häusern, welches wir erst in der Morgendämmerung auf seinen letzten Kilometern wahrnehmen. Mein Freund Kapil bringt uns nach Solang, wo uns Khem schon erwartet. Wir machen Pläne für die nächsten Tage, beziehen Zimmer und steigen für eine erste Tour hoch. Ich fühle mich müde – der wenige Schlaf, das heiße Wetter. Ein schöner, steiler Hang, der am Nachmittag mehr Sulz als alles andere ist. Die Szene, die sich unter mir in der nahen Skistation abspielt, ist ein Gemälde von Hieronymus Bosch – eine Momentaufnahme mit tausend Einzelheiten. Sie spiegelt die indische Begeisterung für Schnee und das alpine Ambiente wider: Leute, die auf Yaks eine Runde drehen, daneben ein Buffet mit indischen Speisen, zehn Meter weiter, Kinder auf aufgeblasenen LKW-Reifen einen Hang hinunterrutschend. Überall versuchen sie sich im Skilauf, sie schieben sich gegenseitig durch den Schnee, dazwischen Schneemobile, welches Gäste spazieren fahren. Schneeballschlachten, Pärchen, die für ein Selfie posieren und Grimassen schneiden; ältere Herrschaften, die wie abgestellt auf einem halb eingesunkenen Stuhl im Schneefeld sitzen. Geschäftige Tierführer, Bedienungen und Verkäufer. Ein Gewimmel, dem ich stundenlang in der Sonne zusehe. Gegrillte Maiskolben, Softdrinks, Paragleiter, alles nur keine Skifahrer, bis auf uns und ein Bursche aus Sikkim, der sich seine erste Sporen in diesem nicht leicht zu fahrendem Schnee verdient.
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Über dieses Blog
"Super gsi - Beginner's Mind" berichtet über Mark's Reisen und Outdoor-Aktivitäten, meist Skitouren, Bergsteigen und Bike-Touren. Mehr dazu hier...
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[…] Wer mich kennt, weiss, das sind meine Lieblingstouren: keine Karte, kein Kompass, kein GPS, kein Guide, der Nase nach in ein Seitental und eine Aufstiegsroute für die nächsten Tage auskundschaften. Beas Kund ist eine winzige Hochebene, die den Zustieg zum Lower Friendship Peak und einigen anderen Riesen am Ende des Solang Valley bildet. Ich trage Ski, Stiefel und Rucksack an diesem Tag 14 km, dann felle ich nochmals einige in das erwähnte Seitental. Es ist eine völlig verlassene Ecke, von denen es wohl im Himalaya im Winter tausende gibt. Für mich ist es eine willkommene Abwechslung zum Zirkus in Solang. […]
[…] Das Bergdorf Solang […]
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