Hundstein: Pünktlich im Steinbock-Kindergarten


Auf der 1:25.000 Karte lese ich auf einer Wegmarkierung das Wort „Kamin„. Ich kann mir gut vorstellen, was das wird. Dass es letztlich so lustig wird, hätte ich mir aber nicht träumen lassen. Vom Widderalpsattel (1.855 m) nehme ich den weiß-blau-weiß gepinselten Steig, der rasch hinter einem Felsblock abbiegt. Üblicherweise sind Alpinsteige versichert, wo es notwendig erscheint. Ich habe schon viele erlebt, die über-versichert waren. Aber dieser hier, hinauf zum Hundstein (2.156 m), der ist es definitiv nicht. Kein einziges Kabel hängt da drin, bis auf zwei oder drei Bohrhaken zum Abseilen. Als ich diese auf Augenhöhe entdecke, weiss ich, dass wird keine Plaisir-Route.

Seealpsee Wandern
Seealpsee mit Säntis im Hintergrund

Hängeten, Alpstein
Beeindruckende Formationen: Hängeten im Alpstein

Die erste Kletterei ist ein kurzer Kamin. Wunderbare Tritte und Griffe, mehrere Meter lang. Wäre da nicht die Nässe und der Schlamm, der alles etwas anspruchsvoller macht. Hin und wieder sitzen die Steine locker, aber bald merke ich, dass der Fels besser ist als der steile Grasschroffen. Dieser ist rutschig wie Seife und ich muss auf allen Vieren durchs Gras. Der zweite, wesentlich längere Kamin ist schmal aber aalglatt. Altschnee wartet auf mich. Mit einem Fuß im Schnee und einem im Fels geht es hier durch, alles recht behutsam und vorsichtig. Als ich wieder in die Grasschroffen trete, starrt eine Steinbock-Herde auf mich herab. Die ganz Kleinen haben vielleicht noch nie einen Menschen gesehen. Sie lassen mich bis auf wenige Meter heran, dann ein Pfiff vom Chef und alle schwirren fünfzig Meter nach links unter eine Steilwand. Die Laute der Kleinsten höre ich aber noch von Weitem – zunächst auf dem Widderalpstöck (2.130 m) und dann fünfzehn Minuten später auch am Hundstein.

Hundstein Steig, Alpstein
Ein Teil des Steigs zum Hundstein (nicht im Bild)

sehr junge Steinböcke
Die Jungen waren besonders neugierig

Wie immer ist die Abkletterei bei solchen Verhältnissen mindestens so langwierig wie der Weg hinauf. Um ein Haar trifft mich ein Stein, der wie ein Geschoß von weit oben an mir vorbeipfeifft. Sicher ein Warnschuss der Steinböcke für die Ruhestörung. Beeilen kann ich mich aber nicht, der rutschige Grasschroffen braucht seine Aufmerksamkeit. Erst am Widderalpsattel hole ich meine Jause aus dem Rucksack und schaue in alle Richtungen: der Bötzelkopf (1.910 m) gegen Westen, das Marwees (2.055 m) gegen Norden. Den ersteren habe ich beim Zustieg (Seealpsee 1.141m, Meglisalp 1.517 m) eingepackt, den letzteren gehe ich im Übergang zur Bogartenlücke an. Die Sonne brennt nun herunter und ich mache mich auf dem Weg. Es wird noch eine Weile dauern, bis ich wieder in Wasserauen (868 m) meine Wanderstöcke versorgen kann.

Bötzelkopf, Alpstein
Bötzelkopf von Süd

Marwees, Alpstein
die höchste Erhebung der Gratkette der Marwees


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