Treiben in einer endlosen See
Der Wind bestimmt den Tag im Camp. Die meiste Zeit verbringen alle im Haus – beim Zerlegen des Motorradmotors, bei der Herstellung von Filz oder dem Weichklopfen von Streifen aus Yakleder. Nurbek schläft wie immer ein wenig länger, manchmal auch im Auto. Ich wage mich trotz des Windgeheuls auf die Ski und möchte ein Hochtal erkunden.
nach der Frühschicht kurze Pause vor dem Fernseher
Ich weiss, dass ich einen Fuß vor den anderen setze, aber ich nehme keine Bewegung wahr. Wie in einem Strom aus Schnee treibe ich in einer endlosen See, der Schnee stobt auf mich zu und an mir vorbei. Hinter einer dicken Maske ist die Welt ein Stück von mir entfernt, dennoch spüre ich ihre Kraft und ihre eisige Kälte. Der Himmel über dem Altai ist nur teilweise bedeckt, aber meine Sicht im fauchenden Schneegestöber beträgt wenige Skilängen. Es vergehen Stunden, denen ich der Landschaft Meter für Meter abgewinne, doch letztlich ist alles vergebens, als ich gegen den Wind nicht mehr ankomme und noch vor dem Eingang in das Hochtal abdrehe. Ich spüre eine Erleichterung, der Wind nun im Rücken und die Sicherheit der Hütte auf bekanntem Weg nurmehr wenige Kilometer entfernt.
Durchgefroren schlüpfe ich in unseren Furgon Allradwagen, der direkt neben der Hütte steht. Das Auto ist mittlerweile mein und Nurbek’s Privatzimmer geworden, eine Insel der Rast. Ich schließe die Türe hinter mir, trinke Tee aus der Thermos und sehe ständig hinaus in die Berge. Ein Jammer bei so schönem Wetter nicht auf Entdeckung gehen zu können, aber der Wind bestraft hier jede Dummheit.
Nurbek vertreibt sich mit Lederklopfen die Zeit
Ein wenig später sitzen ich, Nurbek und die zwei Söhne der Familie am Esstisch im Haus und spielen Karten. Unser gemeinsamer Wortschatz aus Englisch und Russisch reicht für das Notwendigste aus, den Rest lerne ich vom Abschauen. Auf dem gußeisernen Herd köchelt Yak-Fleisch vor sich hin. Dazwischen läuft immer wieder der Fernseher, der von einer Autobatterie betrieben wird. Talente-Shows, Sumo-Ringen und versteckte Kamera sind die eindeutigen Lieblinge der Familie. Draußen schlägt der Hund an, ein bis zur Hüfte großer mongolischer Hirtenhund mit verfilztem Haar, wir sehen zum Fenster hinaus: eine weitere Nomadenfamilie treibt ihre Schafherde einen Kilometer weiter zum vorgelagerten Frühjahrscamp. Im Schneesturm des Morgens hat sich deren Lastwagen bereits den gefrorenen Fluss hinauf gequält, mit den gesamten Habseligkeiten auf der Ladefläche.
Blog-Abo per eMail
DIY Expeditions
Tipps, Deals und gute Vorbereitung - DIY Expeditions, Ihr Partner für unabhängiges Reisen
Über dieses Blog
"Super gsi - Beginner's Mind" berichtet über Mark's Reisen und Outdoor-Aktivitäten, meist Skitouren, Bergsteigen und Bike-Touren. Mehr dazu hier...
Trackbacks & Pingbacks
[…] Die Vorstellung eines sturmfreien Tages verpufft beim Morgentee. Ein Blick aus dem Fenster und der frisch gefallene Schnee der Nacht wirbelt wild in die Höhe, die Sturmmaske schon übergestülpt, befestige ich die Felle unter dem Dröhnen des Windes. Zwei Stunden später passiere ich einen tiefen Canyon, der wie ein Windkanal Schnee gegen mich bläst, als stünde ich fünf Meter vor einer Schneekanone. Bei fehlender Sicht steige ich einen Hang hoch in Hoffnung auf bessere Sicht (Höhe A6, ca. 3.200 m). […]
[…] Sumo-Ringen im TV sind wieder alle im Haus. Die Mutter, die stets das Feuer hütet und eine Yak-Suppe zubereitet, die […]
Leave a Reply
Want to join the discussion?Feel free to contribute!