Gefrorene Passagen
Die Enge bestimmt das Leben der Nomaden im Winter. Es ist nicht die Weite der Landschaft, die Freiheit des Umherziehens, sondern das Aufeinandersitzen auf zwanzig Quadratmeter Hütte. Immer die gleichen Akte, gleichen Abläufe. Ich stoße mich an jeder Ecke, an jedem Wort, das ich nicht verstehe, an jeder Geste. Die Sprache ist kurz und abgehackt, mehr Kommandos als ganze Sätze.
Ich habe Brot und Marmelade aus Olgii mitgebracht. Ich bin froh darum, denn zum Frühstück gibt es die Fleischreste vom Abendessen. Ich konnte einfach nicht zugreifen, ein wildes Nomadenmahl: das halbe Tier zerlegt auf einer Platte, in der die Hände der Familie wühlen, die Klingen der Messer das Letzte vom Knochen schaben, die Finger und Gesichter in Fett verschmiert agieren. Ich liebe Aprikosenmarmelade.
Hält das Eis oder nicht, am White River?
Wir fahren nun schon Kilometer auf dem gefrorenen Fluss, der mehr einem See gleicht. Das Gesicht von Nurbek wird angespannter, sein Blick sucht hastig und rastlos nach dünnem Eis. Mehrmals bleiben wir stehen, steigt Nurbek aus und prüft zu Fuss die nächsten hundert Meter auf seine Tragfähigkeit. Als er mich fragt, ob links oder rechts, da weiss ich, auch er ist mit seinem Latein am Ende und wir würfeln. Das Geräusch von krachendem Eis und spritzendem Wasser ertönt wieder, als ich zwei Stunden später selbst den Fluss in seiner Breite von fast hundert Metern queren muss, mit den Ski am Rücken auf dem Weg zu meiner ersten Tour im Altai.
Als ich auf der Höhe (2.950 m, Höhe A1) stehe, entschädigt der Blick für die lange Anreise. Der Altai geschieht als ein Mosaik – Felsgrate und Couloirs, Gletscherzungen und vereiste Bäche. In der Ferne ziehen Schafherden durch die Gegend, vielleicht sind es auch Yaks. Es ist windstill und in der Sonne sehr warm. Genau das Gegenteil von dem, was ich erwartet habe.
Das Ablegen der Ski am Gipfel ist wie ein Nachhause-Kommen. Essen, ausruhen, ich mache hier sogar meine Liegestütze, denn unten im Haus der Nomaden bin ich ständig im Mittelpunkt mit allem, was ich tue. Der Berg ist nun im doppelten Sinne Freiheit. Hier kann ich ich sein. Das Berggehen und das Schreiben verdeutlichen dies hier im mongolischen Altai einmal mehr – ein Rückzug zu sich selbst und gleichzeitig Aufbruch in einen Freiraum.
mein Camp für die nächste Woche
Die Abfahrt ist im Bruchharsch anstrengend, hin und wieder finden sich Flecken, die etwas auffirnen. Der Weg zurück über den gefrorenen Fluss verursacht Kopfzerbrechen, Wasser auf Eis macht mich nachdenklich.
Blog-Abo per eMail
Weit Draussen Back Country Store
DIY Expeditions
Tipps, Deals und gute Vorbereitung – DIY Expeditions, Ihr Partner für unabhängiges Reisen
Ring of Fire T-Shirts
Über dieses Blog
„Super gsi – Beginner’s Mind“ berichtet über Mark’s Reisen und Outdoor-Aktivitäten, meist Skitouren, Bergsteigen und Bike-Touren. Mehr dazu hier…