Am neuen Horizont
In zehn Minuten in der kleinen Hütte der Nomaden wird mir klar, Japan ist unendlich weit weg. Lichtjahre. Ich mache mir bereit für acht Tage ohne Sprechen, ohne Rückzug, ohne Hygiene. Ich sitze am Tisch von lieben Menschen, deren Wort ich nicht verstehe, die in ihrem eigenen Kosmos leben. Ein kleines Winterhäuschen, ein einziger Raum, ein einziges Fenster, der Rauch des Ofens tränkt die Luft, die Katze schleicht zwischen den Beinen, das Lamm blökt aus einer Ecke, Buttertee wird aufgetischt. Alles am Tisch ist aus Yak – das Abendessen, die Butter, die Milch, die Felldecke, aber auch das Brennmaterial im Ofen. Vielleicht auch die Lederstiefel der Hirten. Mein Lernen beschränkt sich auf das Beobachten und meine Privatsphäre auf das Blatt Papier, auf das meine Gedanken fließen.
Furgon, unser Off-road Geländewagen
An einem Tisch zu sitzen, zuzuhören und kein Wort zu verstehen, Nuancen der Sprache und der Mimik zu interpretieren, falsch oder richtig, ich werde es nie erfahren. Es ist ein einzigartiges Gefühl des Ausgeschlossenseins. Ich sitze ruhig da, trinke Tee und esse Fritiertes, soviel wie es nur anstandshalber maximal geht, denn ich will diese Fleischberge nicht angreifen aber auch nicht mit knurrendem Magen in den Schlafsack schlüpfen, den ich irgendwo im Raum am Boden ausbreiten werde. Ich sitze da und beobachte mich wie ich da sitze und der Mikrokosmos dieses kleinen Nomadenhauses arbeitet.
Nurbek, mein Fahrer, und ich fahren durch eine Steinwüste. Die Felsen sind mal scharfkantig, mal platt, dann der Boden sandig oder mit runden Steinen übersät, wie man sie bei uns in der Ache findet. Die Farben der Landschaft wechseln von Braun zu Rot, von Schimmelgrün zu Dunkelschwarz, und das helle Ocker durchzieht in Streifen das Bild. Schnee liegt nur dürftig in den Nordhängen, aber als ich das erste Couloir entdecke, welches befahrbar gefüllt ist, geht mir mein Herz zum ersten Mal in diesem Land auf. In der Mongolei hat mich noch nichts angeregt. Vielleicht liegt das an Japan, welches mich mit seinem Feingefühl für Portionen und Manieren eingenommen hat. Ich kann es den Mongolen natürlich nicht übel nehmen, dass sie keine Warteschlange kennen, kein Formular ausfüllen oder einfach nicht ein bißchen Rücksicht aufeinander nehmen. So ist ihre Kultur und so verschieden ist sie von meiner.
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Über dieses Blog
"Super gsi - Beginner's Mind" berichtet über Mark's Reisen und Outdoor-Aktivitäten, meist Skitouren, Bergsteigen und Bike-Touren. Mehr dazu hier...
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[…] Die Enge bestimmt das Leben der Nomaden im Winter. Es ist nicht die Weite der Landschaft, die Freiheit des Umherziehens, sondern das Aufeinandersitzen auf zwanzig Quadratmeter Hütte. Immer die gleichen Akte, gleichen Abläufe. Ich stoße mich an jeder Ecke, an jedem Wort, das ich nicht verstehe, an jeder Geste. Die Sprache ist kurz und abgehackt, mehr Kommandos als ganze Sätze. […]
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