Altai: Definiere ‚Expedition‘
Mein Aktionsradius wird größer. Über eine Stunde laufe ich entlang des gefrorenen Flusses, steige langsam gegen einen Sattel im Nordwesten. Es ist ein gewelltes, von langen Rinnen durchzogenes Gelände, in welchem ich meinen Weg suchen muss. An jeder Ecke wartet eine Überraschung – was die Route zwar länger, aber wesentlich kurzweiliger macht. Die meisten Gipfel sind in Wolken, aber die Sonne bietet immer wieder kleine Fenster, die eine sichere Navigation erlauben.
mein Gipfelziel in der Ferne: Höhe A3
Das Leben bei meiner Nomadenfamilie geht auch mit mir seine gewohnten Bahnen. Die Mutter feuert als erste den Ofen an, dann folgen die Männer zum Frühstückstisch – Tee & Brot. Nur mein Fahrer schläft ein wenig länger, aber auch nur, weil er den ganzen Tag keine Aufgabe hat. Mit den Männern – der Vater und die zwei Söhne – breche ich gemeinsam auf, zu verschiedenen Zielen.
Das Gelände ist nicht immer einfach zu lesen. Das fahle Licht verbirgt oft eine enge Rinne, der Blickwinkel versteckt allzu gerne eine Kante. Ein scheinbarer Weg entpuppt sich als Sackgasse und ein anderer schenkt mir einen Grat, der mich gefahrlos einen Triebschneehang umgehen lässt. Es ist aber auch die erste Tour, an der ich meinen Lawinenairbag aktiviere. Die eingeblasenen Hänge sind hart wie ein Brett und klingen hohl, sobald die Kanten meiner Ski sie betreten. Voller Mißtrauen bleibe ich zumeist auf einem Grat, der etwas mehr Sicherheit bietet, stets mit einem Blick auf die über mir sitzende Schneekante, in der ich einen Abbruch als erstes wahrnehmen würde.
einzigartige Bergwelt: der Altai
Der finale Gipfel ist eine Abfolge von Felsköpfen und Graten, ich habe keinen Gipfelnamen (und nenne ihn „A3“ auf ca. 3.200 m Seehöhe), aber er steht so strategisch günstig: ich habe den Übergang nach Norden nach Russland entdeckt und einen Gletscher gesichtet, der sich an seinem Ende in zwei Ströme spaltet – der südliche eher zerrissen und steil, der nördliche Gletscherstrom eher breit und flach bis zu seinem Ende zum scheinbar höchsten Gipfel dieser Gegend: Tavn Bogd (4.374 m). Hinter ihm liegt China.
Kilometer für Kilometer, Flußbiegung für Flußbiegung, Grate, Sattel, Gipfel. Ohne Karte erschließe ich mir die Region. Ohne Führer, ohne Spur, ohne Wege. Ich bin nicht der Erste hier, aber es hat alles was eine Erstbegehung ausmacht. Was ich vor zwei Jahren in Peru begonnen habe, findet hier seine Fortsetzung: auf eigene Faust aus eigener Kraft durch eigenen Willen einen mir unbekannten Weg gehen und Berge und Landschaften erschließen. Das ist meine Vorstellung von einer Expedition.
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Über dieses Blog
"Super gsi - Beginner's Mind" berichtet über Mark's Reisen und Outdoor-Aktivitäten, meist Skitouren, Bergsteigen und Bike-Touren. Mehr dazu hier...
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