Maljovica Vrv: im Wind Stille finden
Snezana nennt mich Marko. Pass auf dich auf, sagt sie noch im Morgenmantel, als sie mich in die Dunkelheit des Morgens entlässt und hinter mir das Garagentor schließt. Iskren, 33, Anatomie-Lehrer an der Uni in Varna, sitzt etwas nervös neben mir im Peugeot. In der Dunkelheit und auf Eisglätte in die Berge fahren, ist das eine gute Idee? Ich nicke und wir fahren.
Iskren spitzt die Ohren, er möchte alles wissen. Über das Reisen, über Österreich, über meinen Roadtrip, und über das Skitouren, das ihm so fremd ist als wäre es von einem anderen Planeten. Ich erzähle und erzähle, eigentlich schon seit gestern Abend, und er fragt so vorsichtig und gewählt, dass ich nur noch darauf warte, dass er sich einen Block und einen Stift herausholt um Notizen zu machen, so fasziniert ist er vom Inhalt meiner Antworten. Vor der Welt abseits der Wege hat er ordentlich Respekt, versteht nicht, warum und ob überhaupt ich im Winter draussen schlafen kann, die Tiere, die Kälte! Mit der Art eines Wissenschaftlers zerlegt er meine Antworten in weitere Unterfragen, versucht die Freude, die ich in den Bergen finde, analytisch zu ergründen, als könnte man sich diese in einem Sportgeschäft zusammenstellen und mitgeben lassen.
Maljovica als dunkle Gestalt im Hintergrund
Am Parkplatz der kleinen Liftstation ‘Maljovica’ trennen wir uns. Ich suche im Unterholz nach dem richtigen Weg, den ich bald finde und diesem mühelos über eine Stunde bis zur Schutzhütte folgen kann. Es ist hell mittlerweile und die Berge steilen sich links und rechts von mir auf. Die Rila Berge sind wild und genügsam gleichzeitig. Ich fühle mich in ihnen wohl, aus irgendeinem unbekannten Grund. Vielleicht liegt das auch an den Begegnungen. Unterwegs treffe ich auf einen älteren Herrn, der für die Seilbahn hier arbeitet. Vor Arbeitsbeginn läuft er noch seine Runde zur Schutzhütte. Er ist etwas stutzig, als ich ihm mein Ziel für heute schildere. Er zeigt mit seinem Stock auf einen Rutsch in einem Hang und dreht dann wieder ins Tal um.
unterwegs – Erinnerungen an Bergkameraden
Von Begegnungen kann ich auf einer Reise nie genug bekommen. Als ich aus Serbien kommend in Madzahre ankomme und am Tor meines privaten Gasthauses läute, kommt die halbe Familie zur Begrüßung heraus. Wir schaffen mein Zeug ins Haus. Ich kann mir mein Zimmer unter vier verschiedenen aussuchen und dann sitzen wir, als ich von einem kleinen Einkauf zurückkomme, gemeinsam am Tisch in der Stube. Der Onkel, Dorfpolizist, schenkt mir ein Glas Raka ein, wir stoßen an und haben sofort glasige Augen. Die drei noch kleinen Buben sind schüchtern, die Frau und Schwester des Dorfpolizisten tratschen aufgeregt, die 19-jährige Enkelin, die ihr erstes Jahr Zahnmedizin studiert, spielt an ihrem BH-Träger und übersetzt gleichzeitig. Im Mittelpunkt aber steht Oma Snezana, die mich auf Bulgarisch löchert und gerne etwas mit Sauerkraut und Rindfleisch aufpeppeln will. Als ich ihr mit ein paar Brocken Russisch antworte, will sie mich nicht mehr hergeben.
Von der Schutzhütte geht es genügsam weiter hinein in das absehbare Talende. Die hohen Markierungsstangen machen die Wegfindung einfach. Dennoch bleibe ich öfters stehen, schaue mich um, um eine Route für den nächsten Tag auszumachen: ich muss zurück nach Sofia, habe also wenig Zeit, will ein letztes Mal in diese Berge. Als ich nach wenigen kurzen Steilstufen auf dem Gipfelgrat des Maljovica (Maljowiza?) ankomme, ist das Wettergeschehen zwiegespalten – im Norden weite Sicht, im Süden ein undurchdringliches Wolkenmeer und auf dem Grat Windwirbel, die fortwährend an den Wechten bauen.
Am Grat, am Gipfel (2.738 m), ist es dennoch ruhig. Es sind Momente, die immer wieder in Zeitlupe vergehen: Ski abnehmen, kurz die Augen schließen, die Stiefel für die Abfahrt bereit machen, durchatmen, Rucksack kontrollieren, und dann endlich, langsam in den Hang über die kleine Wechte nach unten stürzen…
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Reisen und die Natur, inklusive Skitouren, Bergsteigen und Wanderungen, das sind die Inhalte meines Blogs "Super gsi - Beginner's Mind". Mehr dazu hier...
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[…] Minuten wird es still und ich konzentriere mich nur noch auf meine Spur, gehe unaufgeregt hoch zur Schutzhütte Maljovica. Am Talende ragen die Gipfel von gestern empor, die ersten Spitzen tauchen in gleissendes Licht der […]
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