Kamilata: es kann so weiter gehen
Oma Snezana’s Verabschiedung dauert eine halbe Stunde. Kaffee auf der Veranda, Herzeigen von altem Porzelan, tausend Worte bevor ich ins Auto einsteige. Bussis verteilen. Ich glaube, sie ist traurig, dass der schlanke Marko wieder ihr Haus verlässt. Aber ist nicht genau das das Leben, ein Kommen und Gehen? Gerne hätte sie mir noch einen weiteren Kaffee (mit Honig!) eingeschenkt, aber ich will los, zurück nach Sofia, zum Flughafen.
der schöne Aufstieg zum Kamilata
Am Morgen am Lift-Parkplatz bin ich mir sicher, ich bin viel zu früh dran. Es ist stockdunkel, als ich die Ski aus dem Wagen hole. Und dann jaulen die Hunde aus dem Wald – ich rede mir ein, es sind keine Wölfe. Ist schon etwas eigenartig, wenn es zwischen den Bäumen heult. Nach wenigen Minuten wird es still und ich konzentriere mich nur noch auf meine Spur, gehe unaufgeregt hoch zur Schutzhütte Maljovica. Am Talende ragen die Gipfel von gestern empor, die ersten Spitzen tauchen in gleissendes Licht der aufkommenden Sonne. Die Felsen sind weiss, über und über mit Anraum bedeckt.
Der Tag gehört dem Kamilata (2.630 m), ein mächtiger Klotz, der eine feine Abfahrt verspricht. Der Aufstieg ist geradlinig, ohne Umschweife, ohne Spur, einfach hinauf und steil. Ein Tag um Spitzkehren zu sammeln. Der Hang steilt sich auf, ich aktiviere meinen Lawinen-Airbag, der brettartige Untergrund lässt mich aufmerksam gehen. Der Schnee scheint sich gesetzt zu haben. Aber was heißt das schon? Die Verhältnisse an der Geisterspitze sind nicht viel anders gewesen, der Hang nur einen Tick steiler. Doch gehe ich hinein. Es ist die Geländeform, die mich überzeugt: oben ist kein Kamm, sondern eine runde Schulter. Diese steuere ich an, diese hält, diese reißt nicht ab und nimmt mich mit.
die letzten Meter am flachen Grat
Über zwei solcher Aufschwünge komme ich zum enger werdenden Gipfel, errichte vor einem eisigen Feld das Skidepot und gehe nochmals zu Fuß hoch. Vom Grat sehe ich bis nach Sofia. Mein Roadtrip geht wirklich zu Ende. Gerade bin ich noch durch Serbien gefahren, habe die gut gewarteten Straßen genossen und an der Grenze nach den bulgarischen Zöllnern gesucht, die am kleinen Grenzübergang wohl keinen Transit erwarten. Als ich sie entdecke, sind sie herzlich. Es fehlt nur noch Raka. Wie immer sind alle Zöllner und Polizisten fasziniert davon, dass ein Österreicher auf den Balkan zum Ski fahren kommt. Das macht sie stutzig, aber auch ein wenig stolz.
Es ist ein sonniger Morgen, ohne Wolken und Wind. Meine Schwünge durchbrechen den dünnen Harsch, rattern gelegentlich über eisige, abgeblasene Passagen. Es löst immer eine tiefe Sensation in mir aus, wenn ich im Hang stehe und mein Kopf weit ‘vor’ dem Hang in die Tiefe schaut. Dann weiss ich, es ist steil, dann ist es richtig gut. Der Fokus auf den Moment ist da.
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Reisen und die Natur, inklusive Skitouren, Bergsteigen und Wanderungen, das sind die Inhalte meines Blogs "Super gsi - Beginner's Mind". Mehr dazu hier...
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