Tomahawks & Geheimnisse
Die Straßen sind schlammig und nass, die Gehsteige aufgebrochen. Die Sonne scheint etwas, aber vermag das Grau von Priština nicht aufzuhellen. Ich trete ein in den Salon von Arbër, ich brauche einen Haarschnitt und etwas Bartpflege. Ich habe Glück, Arbër verabschiedet gerade seinen letzten Kunden und ich nehme sofort Platz.
Wir verstehen uns auf Anhieb. Während Arbër mich auf dem Drehstuhl für den Schnitt vorbereitet, sehe ich mich dezent um. Schwarz-weiss Fotos hängen an der Ziegelmauer, Bilder aus einer anderen Zeit. Arbër schneidet schon lange, aber sein Englisch aus der Schulzeit hat er früher nie gebrauchen können. Und dann kam der Krieg gegen die serbische Armee und Paramilitärs. Die Telekommunikationszentrale, zwei Häuser weiter von seinem Salon, erhielt einen Volltreffer durch eine Cruise Missile, ging im Schutt unter. Sein Salon hatte nur einen Fensterschaden und ein paar Löcher im Dach. Wochen nach der Cruise Missile kamen die Briten und Amerikaner nach Priština und damit eine neue Kundschaft. Seit damals heißt sein Salon “Gentlemen”.
Während Arbër meine Haare sorgfältig schneidet, spricht er. Oder umgekehrt. Sehr viele Ausländer sind seine Kunden, vor allem Berater und Militärs von der KFOR. Aber ein Thema beschäftigt ihn besonders: die meisten Ausländer haben keine Kinder, verheiratet oder nicht, ein bemerkenswertes Faktum der westlichen Welt. Auch hier im Kosovo haben Familien weniger Kinder als früher, aber zwei bis drei sind immer noch die Norm. Kinder, für Arbër eine Quelle der Lebensfreude. Er erzählt, wie sich seine Kinder über seine Geschenke freuen und sich bei ihm bedanken. Unschätzbar, meint er. Warum ich keine Kinder habe? Er nickt, als ich ihm eine kurze Erklärung gebe, und ordnet dies wieder in seine Schublade “westlicher Lebensstil” ein.
Meine Haare und der Bart sind fertig, ich bin zufrieden. Bevor er mich entlässt, fragt er mich, wer sich im Alter um mich kümmern wird. Ich sehe ihn an. Was wird aus dir werden, bohrt er nach. Zuversichtlich blicke ihm in die Augen und erzähle ihm von meinem Plan für die Zukunft. Zum ersten Mal in unserer gemeinsamen halben Stunde hat er keine Antwort. Mit einem Lächeln beugt er sich nach vorne und gibt mir die Hand. Arbër, ein Barbier aus Priština.
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"Super gsi - Beginner's Mind" berichtet über Mark's Reisen und Outdoor-Aktivitäten, meist Skitouren, Bergsteigen und Bike-Touren. Mehr dazu hier...
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[…] Skifahren nutzen, und später mit einem älteren Mann und seinem minderjährigen Sohn, beide aus Pristina, über das Bergsteigen und Skitouren gehen. Es erstaunt mich ein wenig, denn hier in Brezovia ernte […]
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