Okoto Lake: Farewell Guys
Mit meinen Gedanken weit weg parke ich das Auto neben der Piste, ziehe mir die Schischuhe an, hole die Ski aus dem roten Peugeot, streife mir die Jacke über. Ich marschiere los wie ein Roboter, ohne Seele, ohne Gefühl, etwas Mechanisches hat meinen Körper übernommen. Ich starre vor meine Skispitzen und ich brauche das gelbe Licht meiner Stirnlampe, um an diesem dunklen Morgen meine Sehnsucht nach Wärme zu befriedigen. Die Sterne scheinen zu fliegen, aber es sind die Wolken, die in Fetzen den Himmel verdunkeln und über mir vorbei rasen.
Es stürmt. Ich finde meine Spur von gestern wieder, tauche ein in diesen dunklen Wald. Es ist so still. Nur der Wind zischt durch die Baumwipfel. Es ist so still, dass ich mich selbst höre: atmen, gehen, denken. In dieser Stille liegt ein prächtiger Bussard in meiner Spur, seine Flügel ausgebreitet, das braun gesprenkelte Federkleid bewegt sich im Wind. Es sieht aus als würde er schlafen, ganz ruhig und den Schnee ein wenig über seinem Gesicht. Ich schaue hinauf in die Bäume, von wo er seinen letzten Flug unternommen hatte, aber da sieht es aus wie immer.
Meine Spur leitet mich durch den dichten Wald, der Morgen bricht an, die Sterne sind schon längst verschwunden, aber das Licht meiner Stirnlampe lasse ich an. Furcht fließt in meinen Körper. Die Bäume stehen dicht an dicht Spalier über mir, schauen herab, bewegen sich im Wind, hüllen mich im fallenden Schnee ein, als ob ich einer von ihnen werden sollte. Meine Augen werden größer, meine Bewegung ruhiger. Die Luft zischt in leisen Tönen.
Die Bäume stehen da. Und doch sagen sie mir, öffne deine Augen, heute ist es so und morgen ist es anders. Der Weg, der durch den Wald führt, auch dieser Weg hört irgendwann auf, die Reihen der Bäume lichten sich, bis alle verschwunden sind, der Weg kommt zu einem Ende und hinter einer Ecke beginnt ein neuer. Ich sehe in das Talende, das Grau weicht dem Licht, der Horizont ist ein neuer Grat, eine neue Grenze, die mir genau das Gleiche offenbaren wird.
Ich kehre vom kleinen Otoko Lake zur Virhen Schutzhütte zurück, setze mich hin und bestelle beim Hüttenwirt einen Kaffee. Wir unterhalten uns auf Russisch. Meine paar Brocken genügen für das Notwendigste, aber wir sehen uns in die Augen und wissen mehr, als wir uns zu erzählen brauchen. Die Einsamkeit des Weges lehrt mich so vieles. Die Hostel-WG in Bansko löst sich auf, Chris fährt nach Sofia, Stas macht sich auf den Weg in die Ukraine. Ich verstaue meine Sachen im Kofferraum und biege ab nach Skopje, Mazedonien.
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Reisen und die Natur, inklusive Skitouren, Bergsteigen und Wanderungen, das sind die Inhalte meines Blogs "Super gsi - Beginner's Mind". Mehr dazu hier...
Hi Mark! Ich habe mir nach deiner kurzen Abstinenz nach deinen Pow-Pow-Wälder-Touren bereits gedacht, dass du wieder was außergewöhnliches ausheckst. Jetzt habe ich zumindest in der Mittagspause wieder was interessantes zu lesen. Bei uns versäumst jedenfalls nicht viel, denn da schmilzt der Schnee bei über 10° C wie nix dahin. Es ist zum heulen. Wünsche noch schöne Schwünge in den Bergen des Balkans. Cu, Gebo
ja, hier gibt es viel zu entdecken! 10°C? Bis jetzt war es hier recht frisch, ich glaube, das dreht jetzt auch hier ein wenig in die Plus-Grade. Man wird sehen ;D
cheers, Mark