Pequeno Alpamayo: We are from Austria. We don’t need a guide.


Jetzt hat es mich doch erwischt, im 7. Monat von Ring of Fire. Eine frische Nacht in La Paz, ein längeres Herumspazieren in den lebendigen Straßen des Abends, und schon hänge ich mit Fieber, lahmen Gliedern und dickem Hals zwei Tage in den Seilen. Die steilen Gassen im Zentrum der Stadt werden zur Herausforderung.

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Unsere Transport-Companie zum Basecamp

Deutlich angeschlagen nehme ich die Reise nach Tuni (ca. 2,5 Autostunden) in Angriff. Wir sind uns angesichts meiner konditionellen Verfassung und der Größe unseres Gepäcks (wir haben zusätzlich ein 2. Seil, Steileisgeräte und sonstiges Extra-Material für eine technische Route mit) schnell einig, dass wir die Dienste von Packeseln in Anspruch nehmen wollen. Zu unserer Überraschung ist es eine junge Señora, die die zwei Esel drei Stunden zur Laguna Chiar Khota (4.600 m) treibt. Ich taumle wie ein angeschlagener Boxer mit weichen Beinen hinterher.

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das Wetter für bolivianische August-Verhältnisse recht unbeständig

Am See stehen bereits ein halbes Dutzend Zelte, meist Wanderer, und wir finden einen windgeschützten Platz, der uns für zwei Nächte etwas mehr als fünf Euro kostet. Das Wetter ist wechselhaft, manchmal gar dunkel, und spät am Abend fällt etwas Schnee. Ich schlafe schnell ein, müde von diesem Spaziergang, unsicher, ob ich am nächsten Tag meine Beine zu mehr Leistung motivieren kann. Der nächste Morgen ist entsprechend mühsam, aber wir schaffen es kurz vor fünf aus dem Zelt und stolpern im Dunkeln durch eine Moorlandschaft, später über leicht ansteigende Moränenrücken zur Gletscherzunge. In der Morgendämmerung setzen wir auf den steiler werdenden Gletscher über – manche Spalten sind vom frischen, verwehten Schnee verdeckt. Wir orientieren uns im Zick-Zack hinauf, begegnen einer Seilschaft, die wegen des tiefen Schnees umdreht. Ein Gruß, und wir stoßen weiter vor zum Sattel unterhalb des Nevado Tarija (ca. 5.300 m), den wir in wenigen Minuten etwas steiler nehmen. Die Cordillera Real präsentiert sich mystisch dunkel in schwarz-weiss. Endlich sehen wir auch unser Tagesziel: der Pequeno Alpamayo (nicht zu verwechseln mit dem Alpamayo in der Cordillera Blanca, Peru).

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ein Morgen in der Condoriri-Gruppe

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steil zum Gletscher-Sattel hinauf

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der erste Blick auf den Pequeno Alpamayo

Von hier müssen wir gute 100 m Fels abklettern, nicht immer angenehm in Steigeisen, um final über zwei schwindlig aussehende, aber stabile Schneebrücken den Gipfelgrat (WSW) zu erreichen. Hier wird’s etwas steiler (bis zu 55°), ist aber immer noch einfach mit einem gewöhnlichen Gletscher-Pickel zu bewältigen. Wir gehen am kurzen Seil. Nach etwas Schnaufen, meist im soliden Neve mit darunter liegendem Eis, stehen wir am Schnee- und Fels-Gipfel des Pequeno Alpamayo (5.370 m), genießen die Sicht, hinüber zum Huayna Potosi und den Rest der Cordillera Real, und steigen dann ohne großes Herumsichern über den selben Weg ab.

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der schöne Grat zum Gipfel des Pequeno Alpamayo

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die chilenische Seilschaft – Enzo, Eduardo & Javier – im Mittelteil des Grates

Vor dem Wiederaufstieg zum Tarija begegnen wir eine chilenischen Dreierseilschaft, eine willkommene Pause für alle. Der restliche Abstieg bleibt ohne Vorkommnisse, auch wenn wir einige Spalten etwas großräumiger umgehen als vielleicht am Morgen, und auch meine Beine fühlen sich gut an. Habe ich ständig nur meine Kondition, die Routenfindung und die Kommunikation mit meinem Seilpartner im Kopf, vergesse ich vollkommen, trotz des bewölkten Tages, meine Sonnenbrille im Rucksack. Das hat Folgen, und die nächste Nacht wird eine Qual. Brennende, tränende Augen, und dazu keine Luft, da die Nase vollkommen dicht ist. Ich schlafe im Sitzen, wenn überhaupt. An eine Tour am nächsten Tag ist nicht mehr zu denken, ich ärgere mich tausendfach, denn das Wetter ist grandios und mein eigentlicher Berg, Cabeza de Condoriri, wartet da ohne dass wir den scharfen Grat jemals betreten.

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diesen Berg mussten wir auslassen – Cabeza de Condoriri

Eine Niederlage, ohne den Kampf überhaupt aufgenommen zu haben. Das ist bitter, und der Weg zurück nach Tuni ist entsprechend niedergeschlagen und müde. Aber wie mit allen Niederlagen, so ist es auch mit dieser: kurz nachdenken, etwas daraus lernen, und dann wieder aufstehen und weitergehen. Wir werden weitergehen, wenn auch dieser Tag nach langen Stunden in La Paz sein völlig erschöpftes Ende nimmt. Der Portier unseres neues Hostels (Floh-Wechsel) fragt, welche Berge wir gemacht haben. Und mit welchem Guide. Unsere Antwort: „Somos de Austria. No necessitamos un guia. We are from Austria. We don’t need a Mountain Guide. Wir sind aus Österreich. Wir brauchen keinen Bergführer.“

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Cordillera Real


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