Mt. Sill: Risskletterei zum Gipfel
Man kann nicht sagen, gestern war ein verlorener Tag, weil es mein erster Nicht-Bergtag seit San Francisco war. Meine Zehen und Fersen brauchten mal einen Tag Havaianas. Luft. Ruhe. Für mich hingegen ist so ein Tag ein Kampf. Rumsitzen und Kaffee trinken. Rucksack nähen. Im Internet recherchieren. Am Abend bin ich fast desillusioniert und hab keinen Hunger. Am Mt. Basin war ich schon nicht ganz glücklich – lange Anmarschwege, große Hitze, kein Skitouren, und dann auch noch sehr tiefer, feucht-nasser Schnee. Da kommt eine Tour zum Mt. Sill gerade richtig.
Ich wollte vom Mt. Basin lernen. Also stehe ich um 04.00 auf, um 05.00 bin ich in Bewegung. Die Sonne geht am Horizont auf, aber es bleibt kühl. Gut so, denn auch hier ist der Anmarschweg beträchtlich: 11 Kilometer ein Weg. Und dann wieder retour. Plus gute 2.000 Höhenmeter wieder. Aber ein Großteil der Marschstrecke ist ein gut sichtbarer Weg, so dass ich erst ab der Schneegrenze in meine Alpinstiefel wechsle, Gamaschen hochziehe und mich orientiere. Der Schnee ist immer noch hart, so dass ich sehr gut vorankomme. Am Gletscherrand sehe ich das Amphitheater, das aus scharfen Wänden und Spitzen besteht: die Pallisades. Mt. Sill ist eher am östlichen Rand dieser Gipfelsammlung und auch der Höchste von diesen. Ich wende mich gegen Osten, um einen kleinen Sattel (Glacier Notch) zu erklimmen, und dann sehe ich zwischen Apex (ca. 3.700 m) und Mt. Sill (4.313 m) hinein. Ein mäßig steiler Gletscher, der zum Wandfuss führt.
Mt. Sill im Hintergrund, davor das L-Couloir
Ich betrachte die Wand und zeichne in Gedanken meine Aufstiegsroute. Ich bin zuversichtlich, auch ohne Seil sicher hinauf und hinunter zu kommen, trotz zweier Bergsteiger, die ich am Anmarschweg getroffen und befragt habe. Sie kamen vom Mt. Sill und meinten, es sei nicht schwer. Da sehe ich bei einem ein Bergseil aus dem Rucksack zappeln. Ob sie es genutzt haben. Ja sicher, da gäbe es ein paar Stellen, da wäre es gut. Aha! Mehr wollte ich nicht wissen, und wir gingen getrennte Wege. Jetzt am Wandfuss denke ich das Gleiche.
Blick vom Glacier Notch zu Mt. Sill (li) und Apex (re)
Die Kletterei (Nordostwand) beginnt als lockeres Bouldern. Dann ein paar Schuppen und ein-zwei Traversen, die lästigerweise über eine mit Schnee zugedeckte Felspartie führen. Da heißt es aufpassen. Alles geht klar, und ich komme endlich zum Mittelstück: einem langen Kamin. Herrlich! Tritte und Griffe zum Überfluss, stoßen, spreizen, ziehen. Am Ausgang muss ich wieder ein Schneefeld traversieren, dann ein paar Schuppen, und unter dem Gipfel dann der große Riss: sicher 40 cm breit. Das wollte ich schon immer ausprobieren, und zwänge mich in 4.300 m Höhe in diesen Riss. Hier gibt es nur eine Methode: sich breit machen. Ich bewege mich wie eine Raupe, nur mit der Reibung meiner Unterarme, Knie und meines Hintern. Da kann man, wer will, eine hübsche Pause machen und was essen, ohne Tritte und Griffe. Ich komme aus dem Riss heraus, kraxle über ein paar Blöcke und stehe am Gipfel des Mt. Sill. Es ist kein Mensch zu sehen und zu hören, die gesamten Pallisaden sind zu meiner Verfügung. Wieder so eine tolle Kletterei wie am Matterhorn Peak und Mt. Humphreys!
die Pallisades vom Gipfel des Mt. Sill
Die Abkletterei wird interessant, weil ich einen etwas anderen Weg nehme, den Kamin lasse ich mir aber nicht entwischen. Unterwegs entdecke ich wieder allerhand Eisenware und Seile, die hier für den weniger Geübten oder für schlechte Verhältnisse angebracht wurden. Bei einigen bin ich mir aber fast sicher, dass sie nicht absichtlich zurückgelassen wurden, sondern eher aus der Not: Friends, Keile, extra lange Expressen. Ich komme wieder gut zum Rucksack zurück und mache mich auf den langen Weg zurück. In Summe wieder 13 Stunden auf dem Weg. Ich freu’ mich schon wieder auf’s Bett, und eine Limo.
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[…] an. Von Aspendell (Mt. Lamarck) orientiere ich mich weiter nach Süden, über Bishop und Big Pine (Mt. Sill) nach Indepence. Die Gegend um die 395 kenne ich mittlerweile nicht schlecht. Ich nehme eine […]
[…] Zehen brauchten noch einen Tag mehr frei. Der Tag am Mt. Sill ist nicht ohne Wirkung geblieben, eine Blase musste ich aufstechen, der Rest blieb etwas blutig. […]
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