Mutnovsky: Ausbruch
Die Ausrüstung, die wir hier am Mutnovsky zum Einsatz bringen, ist nur bedingt tauglich. Die Schuhe sind zu kalt, die Handschuhe nicht schneedicht genug und für Feinarbeiten nicht geeignet. Ein Seil wäre im Sturm nicht schlecht. Wenn es am nächsten Tag weiter stürmt, muss ich wohl im Biwaksack in den Wind vor das Haus, am Strick und nochmals das Satellitentelefon bedienen. Die Antenne ist für Schönwetter-Poster gemacht, aber nicht für den Mutnovsky.
wir verlassen die Hütte im Sturm
Aleksey erzählt oft von seinen Kindern, Katja und Vova. Man fühlt mit, wenn er von ihnen Geschichten preis gibt. Alle wollen gesund und lebend nach Hause kommen. Spannung baut sich auf, langsam, aber stetig. Trotzdem, wir sind guter Dinge und warten darauf, die 35 Kilometer in einem Kraftakt durchzuziehen.
starker Wind, aber die Sicht ist bestens
Der nächste Morgen bringt die Enttäuschung. Es stürmt weiter. Einen vierten Tag in der Hütte? Wir schlafen nochmals eine gute Stunde. Dann stehe ich auf und schaue nochmals hinaus. Das Fenster ist fast vollständig von Schnee zugemauert. Aber zwischen dem Stäuben von Wildschnee flunkert irgendetwas Blaues. Kann das der Himmel sein? Aleksey ist gleich bei mir. Ja, das Wetter ist besser. Es wird alles gepackt, Frühstück gemacht, der Ausgang ausgeschaufelt. Vor Aufregung kann ich nur wenig essen. In dreissig Minuten stehen wir bereit. In voller Sturmmontur. Wir kriechen hinaus, ich sehe auf die andere Seite des weiten Tales: der Gorilye ist zu sehen! Jetzt oder nie, das ist unser Zeitfenster.
35 Kilometer können sehr weit sein
Spuren von Zivilisation, denen wir gerne folgen
Die ersten Hindernisse sind die vielen Tobel entlang des Weges. Wir umfahren sie großzügig. Mehr Kilometer, mehr Sicherheit. Da der Schnee verblasen und die Oberfläche hart ist, kommen wir gut vorwärts. Wir machen richtig Kilometer. Der Mutnovsky verschwindet hinter uns, die Hütte schon lange. Ich spüre, wir kommen hier nochmals davon. Über einen weiten, zugefrorenen See queren wir auf die kaum sichtbare Passstraße zu. Und dann plötzlich ein schneidendes Motorengeräusch, zwei Skidoos rasen über unsere Spur und bleiben neben uns ruckartig stehen. Igor stürmt auf uns zu, grinst, “you survived my friend“, und wir wissen, jetzt wird alles einfacher. Igor und sein Kollege Roman sind eigentlich auf einem Rettungseinsatz zu einer 4-köpfigen Gruppe irgendwo am Mutnovsky. Sind dort seit Tagen eingeschneit und kommen nicht mehr weg. Wir schmeissen unsere Rucksäcke auf den Schlitten, fahren ein paar Kilometer mit. Dann müssen sie uns für zwei Stunden wieder selbst Meter machen lassen, der Rettungseinsatz geht vor. So stampfen wir fast bis zum Vilschinsky Pass, als uns die beiden einholen. Im Schlepptau vier Moskoviter. Bald sind wir also zwei Fahrer, zwei am Schlitten, und fünf am Seil.
die letzten zwanzig Kilometer im Skidoo-Schlepptau
Eine heiße Dusche ist unfassbar. Noch mehr eine Toilette, die man ohne Skischuhe betreten kann. Wir schlagen uns den Bauch voll, genießen das Heimelige bei Martha. Sie ist definitiv unsere Mama hier. Sie freut sich, als sie uns wieder sieht. Wir umarmen uns. Wir sind vom Mutnovsky wieder zurück.
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"Super gsi - Beginner's Mind" berichtet über Mark's Reisen und Outdoor-Aktivitäten, meist Skitouren, Bergsteigen und Bike-Touren. Mehr dazu hier...
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[…] letzten Abende brechen in Yelizovo an. Müde von unserer finalen Tour vom Mutnovsky, aber so freudig erregt über das warme Zimmer, können wir gar nicht einschlafen. Es wäre einfach […]
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