Edelweiss Raid 2013: Der lange Grat
Es gibt immer wieder Projekte, die man mit Liebe und Enthusiasmus plant und vorbereitet, sich darauf freut und den Start gar nicht mehr erwarten kann. Und später, auf dem Weg, begegnet man der Realität der Bedingungen und der Durchführung, und diese lassen im Kopf eine Frage aufkommen: „Warum tue ich mir das an?“ Das passiert mir nicht oft, aber in einer heiklen Fels-Eis-Passage, auf einem Gewaltmarsch (wie hier in Schottland auf dem West Highland Way) oder bei einem Rennen wie der Edelweiss Raid muss ich mit mir schon mal selbst diskutieren.
Das Edelweiss Raid definiert sich selbst als „der härteste militärische, alpine Mannschaftswettbewerb“. Um dieser Definition gerecht zu werden, werden die Parameter des Laufes scharf angezogen. In zwei Tagen 4.200 Höhenmeter und rund 40 Kilometer Laufstrecke scheinen auf dem Papier gar nicht mal so viel. Rechnet man aber die Topographie der Route und die einzelnen Prüfungsstationen hinein, und addiert noch winterliche, alpine Bedingungen dazu, dann ergibt die Definition der Edelweiss Raid durchaus Sinn. Die Strecke führt 21 Teams aus Österreich, Belgien, Deutschland, Schweiz, Polen, Frankreich, Holland und der Tschechei von Igls über den Patscherkofel über einen langen Grat aus Bergspitzen, felsigen Abstiegen und Abfahrten bis zum Naviser Jöchl und weiter zur Mölsenalm (Biwak), am nächsten Tag über die Hippoldspitze ins Lager Walchen.
Streckenverlauf Igls – Lager Walchen: 40km, 4200 Hm
Die Sektionen des Edelweiss Raid 2013 könnten unterschiedlicher nicht sein. Hinauf auf den Patscherkofel ist es ein Massenlauf über die Skipiste, dampfig nass und fast schon schwül. Über den bewaldeten Grat hinüber zur Glungezer ein Mix aus engen Waldpassagen und technischen Abfahrten mit Fell. Der lange Grat bis zum Mösljoch ist lang, windig und kalt, mit vielen Passagen zum Absteigen und Gegenanstiegen. Hier macht das meiste Material irgendwann schlapp: Felle, die nicht mehr kleben oder vom Fels aufgerissen werden, Bindung, die vereist, Rucksäcke, deren Schnallen einfach reißen. Aber auch die Unkenntnis der Strecke hinterläßt Spuren – die Kette aus Auf- und Abstiegen hört nicht auf, und auf dem Mösljoch müssen wir im Nebel vorsichtig abfahren, und immer wieder kleine Gegenhänge hinauftrippeln. Müde, nach 2.700 Höhenmetern, aber glücklich erreichen wir das Biwak, bauen im Dunkeln und bei Schneefall das Zelt auf. Wärmen, trockene Sachen wechseln, kochen, trinken. Das Leben beschränkt sich auf einzelne, vitale Interessen. Trotzdem schlafe ich gut, bin am nächsten Tag frisch und ausgeruht, die Laune könnte nicht besser sein. Auch wenn die Grate wieder warten, der Wind noch schärfer bläst, die Temperaturen merklich fallen. Die Druckstellen an Schultern und Becken werden nicht kleiner, aber wir kommen ohne Erfrierungen über die Runden, nicht wie manch‘ anderer Teilnehmer. Matt, glücklich, froh im Ziel zu stehen, im Team abzuklatschen, und zu wissen, dass man auch diese Hürde bewältigt hat. Denn das ist es eigentlich, was die Edelweiss Raid ist: kein Teamwettkampf, sondern eine mentale und körperliche Prüfung.
immer wieder lästige Abstiege (alle Fotos: Bundesheer)