Pizzo Tambo: Gratklettereien an der italienischen Grenze
Der Hinterrhein bleibt einfach ein beliebtes Tourengebiet. Das hat vor allem zwei Gründe: meist ist das Wetter hier eine Alternative zum Nordalpenwetter. Und zweitens sind die Lawinenbedingungen hier ebenfalls verkehrt. Wenn’s also bei uns nicht geht, und das ist im Hochwinter leider recht häufig der Fall, dann ziemt es sich einen Blick in die Graubünden-Skiguides zu werfen.
Pizzo Tambo mittig rechts im Hintergrund, die Route verläuft zunächst aber ca. entlang des Schattens zum Gratübergang (links von mir)
Mathieu (u.a. die Breche Puiseux, die Goulotte Chéré und die Traverse der Meije) begleitet mich nach Splügen (1.453 m). Wir sind spät dran, da Mathieu nach einem Eisklettertag in Urnerboden nicht aus den Federn kommt, und machen mit einer Gondelfahrt ein bißchen Boden gut. Startpunkt unserer Tour ist also die Bergstation Bodmanstafel (2.215 m). Hier herrscht Hochbetrieb, und wir machen uns mit unseren Rucksäcken gleich einmal um den Alpetlistock aus dem Staub. Wir haben mehrfaches Glück. Die Wetterprognose („wolkenlos“) stimmt, die Lawinenwarnstufe wurde heute auf „2“ gesenkt und wir finden eine frische Spur, der wir gemütlich folgen können. Die Skitourenkarte geht also augenblicklich in den Rucksack.
Das Lattenhorn fast gequert, kommt der Pizzo Tambo wieder ins Blickfeld. Die nächsten Steilstufen sind lästig.
Die Route läßt sich in wenigen Worten beschreiben. Östlich des Alpetlistock vorbei mit leichtem Höhengewinn, dann südwestlich das Lattenhorn (2.751 m) ansteuern. Hier sind die ersten Kehren zu machen, der Hang wird bald steil. Unter dem Lattenhorn wenden wir uns gegen Osten und nutzen eine der vielen kleinen Lücken, um über den Grat zu kommen. Auch auf der Südseite ist der Schnee recht gut verfestigt und so können wir ohne groß abzufahren unter dem Lattenhorn steile Hänge queren. Fortan geht es kuppiert gegen Westen weiter, bis wieder eine Steilstufe Kraft kostet: der Untergrund ist hart und rutschig. In einem Steilhang müssen wir gar die Ski kurz abnehmen, um über eine harte Schneeplatte zu kommen. Nun folgt nochmals eine fast ebene Querung am Grat zum Skidepot auf ca. 3.080 m.
Wir schauen zum Pizzo Tambo hinauf, der Grat sieht ein wenig ruppig aus. Wir steigen ein mit Steigeisen und Eispickel. Die gut 200 Höhenmeter rauben uns ein bißchen den Atem. Zunächst ist der Gratrücken eher breit, wird später schmal und dann müssen wir mehr auf die Südseite ausweichen. Hier gibt es die eine oder andere leichte Kraxelstelle, die wir mit unseren Eispickeln bewältigen. Der Trittschnee ist ziemlich ok, ohne Vereisungen, und die Blöcke halten. Der Gipfel des Pizzo Tambo (3.279 m) ist eher klein, die Aussicht ist aber gewaltig. Im Osten markant das Surettahorn, im Norden das Schollenhorn, im Westen der Piz Uccello.
Das Gipfelkreuz ziemlich verschneit, Blick nach Osten
Nach dem Abstieg folgen wir zunächst der Aufstiegsspur mit ein paar Schwenkern in windgeschützte Mulden bis unter das Lattenhorn. Dort halten wir uns weiter an der italienischen Seite und finden ein paar sehr feine Pulverhänge. Kurz vor dem Splügenpass queren wir über den Grat steil in einen Nordhang und damit wieder in die Schweiz. Eine rassige Pulver- und Harschabfahrt bis zum Berghus an der Splügenpassstrasse folgt, meine Beine wirken nun doch nach dem gestrigen Tag am Piz Pian Gran etwas müde, aber letztlich folgt nur noch eine einfache Abfahrt entlang der Piste zur Talstation.
feine Abfahrt auf der italienischen Seite zum Splügenpass