Eine alpine Herausforderung: Spuller Schafberg
Unseren zweiten Tag am Spullersee verbrachten wir in der Nordwestwand des Spuller Schafbergs (2.679 m). Was am Vortag an der Plattnitzerjochspitze gegolten hatte (Sicherheit der Route, Kürze, etc.) hatte wenige Kilometer keine Gültigkeit mehr. Laut Kletterführer Vorarlberg „bieten die nach Norden und Westen abbrechenden Wände anspruchsvolle Klettereien für Gebirgskletterer klassischer Prägung. Ohne sicheren Umgang mit mobilen Sicherungsmittel kommt hier kein Spaß auf.“ Will heißen: Pitons in der Wand haben Seltenheitswert, der Fels ist brüchig, die Orientierung ist ein Teil der Gesamtaufgabe.
Zustieg vom Osten zum Spuller Schafberg
Nach einer feinen Nacht am Spullersee (1.840 m) starteten wir zeitig in den Tag und folgten zunächst der Straße zur Dalaaser Staffel (ca. 1.700 m). Hier wendet man sich dem Spuller Schafberg gegen Osten zu und sucht seinen Weg selbst hinauf, vorerst über Almwiesen, später durch steile Geröllfelder, die allesamt aber gut zu beschreiten sind. Erst im obersten Teil sind sie recht lose.
in einer leichteren Sektion des NW-Pfeilers
Der Einstieg zum Nordwestpfeiler (3 bis 5-) ist recht gut zu finden, ist aber nicht markiert. Ab nun heißt es, sich auf sein Gespür für die Routenwahl zu verlassen und die Topokarte möglichst gut zu interpretieren. In der Wand selbst deuten nur sehr wenige Spuren (vereinzelte rostig-braune Pitons) auf den Wegverlauf, die Stände müssen komplett selbst eingerichtet werden. Das kostet Zeit, inkludiert aber auch vor allem eine gewisse Unsicherheit, ob man sich auch auf der richtigen Route befindet. Bei allen anderen alpinen Touren bis auf den Biberkopf hatten wir zumindest die gebohrten Stände als Orientierungspunkte nutzen können. Dadurch erhöhte sich für uns die Gesamtschwierigkeit der Route beträchtlich.
am Gipfel des Spuller Schafbergs, links die Hänge des „Mehlsack„
Der Fels des Nordwestpfeilers ist sehr griffig und angenehm zum klettern, an manchen Stellen der Route am NW-Pfeiler allerdings auch brüchig. Wir hatten zwei größere Ausbrüche, einmal beim Nachklettern und einmal im Vorstieg, trotz stetem Prüfen der Felsqualität. 100%ige Sicherheit im alpinen Klettern gibt es nicht, aber wir haben daraus unsere Lehren gezogen – die wichtigste: den Stand so wählen und aufbauen, dass er durch den Vorsteiger nicht gefährdet werden kann. Das erfordert, dass der Einrichtende den weiteren Routenverlauf berücksichtigen muss.
Laut Topo hätten wir eine einzige Stelle 5- haben müssen, aber meiner (geringen) Einschätzung nach sind wir mindestens drei Seillängen im oberen 5er Bereich geklettert. Entweder lag das an einer abweichenden Routenwahl, oder die Bewertung der Route ist zu tief angesetzt. Jedenfalls hatten wir klettertechnisch einiges zu lösen, überwanden auch die heiklen Stellen und standen nach beinahe sechs Stunden am Gipfelkreuz (ca. 420 m Kletterlänge). Das langsame Vorwärtskommen erklärt sich aus der Routensuche und dem aufwändigen Sichern der Stände und dem Legen fast aller Zwischensicherungen.
Der Abstieg zur Ravensburger Hütte, rechts der Ostgrat der Plattnitzerjochspitze
Der Abstieg erfolgt sehr unproblematisch auf gutem Weg zur Ravensburger Hütte und weiter zum Spuller See. Bei Nudeln und Badespaß erholten wir uns vom kräftezehrenden Unterfangen und mentaler Ermüdung, bevor es am Abend mit dem Büssle zum Vermuntstausee ging.
Unser Fazit: definitiv Nichts für Plaisirkletterer! Material für den Standbau und das Legen von Zwischensicherungen ist zwingend mitzubringen. Wer die Nutzung dieser Tools nicht beherrscht, bekommt an dieser Wand seine Schwierigkeiten. Für uns war diese Tour ein Meilenstein, wir hatten vor allem in Punkto „selbständige Routenwahl und Orientierung im Fels“ sehr viel dazugelernt, aber auch Vertrauen in unsere Fähigkeiten bekommen, selbständig sichere Stände einzurichten, die Stürze halten. Für Kletterer, die diese Route öfters gegangen sind, ist der Schwierigkeitsgrad 5- evt. adäquat. Für Erstbegeher dürfte dieser deutlich darüber liegen (5+ bis 6-).