Per Kutsche durch Bhutan


Schon alleine der Anflug auf Paro war die Reise wert. Der geräumige Airbus tauchte aus der Höhe in ein leicht eingeschnittenes Tal, folgte dann in Kurven dem immer steiler werdenden Canyon, bis die Druk Air Maschine mit den Flügeln die Waldhänge auf beiden Seiten der steilen Hänge zu streifen schien. Erst im letzten Moment öffnete sich das Tal, wurde flach und gab eine kurze Landepiste frei. Wir waren in Bhutan, und es war vom ersten Moment alles anders als in den Tagen davor – Kalkutta, Bangladesh, ja all dies schien in einer fernen Vergangenheit passiert zu sein.

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Gebetsmühlen gab es genug zu drehen

Der Flieger parkte vor dem Haupteingang des Flughafens, und in landesübliche Gewänder gekleidete Männer und Frauen leiteten uns durch die Immigration und Passkontrolle (mehr zum Visa-Erwerb hier) hinaus zur Ankunft, wo uns schon ein breites Schild mit meinem Vornamen entgegenwinkte. Tsherab grüßte verschmitzt, griff sich unsere Taschen und brachte uns zu unserem Wagen, den der Fahrer schon bequem geparkt hatte. Wir wußten uns nicht wie uns geschieht, es war wie in einem schlechten Film, wir hatten einen Guide, einen Fahrer und ein Auto. Wir waren auf einmal Zuschauer in einer Kutsche.

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Eines der feinen Hotels, in denen wir Gast sein durften

Der Trip durch Bhutan war für unsereins sehr ungewöhnlich. Weniger wegen der gebirgigen Landschaft, dem Essen oder der Kälte, nein es war das luxuriöse Ambiente, in das wir unvorbereitet geschlittert waren. Ja, wir hatten im Vorfeld den Trip vorbereitet, reichlich Geld für all diese Dinge gelöhnt, aber wenn es dann geschieht, dann fühlt man sich seltsam. Wir wohnten in Vier-Sterne-Hotels, hatten mehr als genug zu essen, wurden herumkutschiert und man wich keine Sekunde von unserer Seite. Unsere Begleiter meinten es gut mit uns, sorgten sich um unser Wohl.

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Das touristische Aushängeschild Bhutans: Tigers Nest

Bhutan ist ein interessanter Fall. Es ist noch recht ursprünglich, und dank seiner langer Isolation so geblieben. Andererseits weiss es, dass es sich öffnen muss, will es doch so etwas wie Anschluss an die Moderne schaffen. Mit seiner bescheiden entwickelten Wirtschaft ist das nicht leicht, denn moderne Lebensweise bedarf harter Devisen, und die gibt’s nicht so leicht. Touristen wie wir zahlen ihren Beitrag für die Modernisierung dieses Landes, aber auch sehr viele Entwicklungsorganisationen, z.B. auch aus Österreich, der Schweiz und Deutschland helfen in Bhutan ordentlich mit. Überall war man dankbar dafür – etwa für den Wiederaufbau des niedergebrannten Klosters ‚Tigers Nest‘ oder beim Ausbau eines neuen Wasserkraftwerks. Mehrere solche Projekte konnten wir besuchen, so das College für Lehrer in Paro oder das zentrale Krankenhaus in Thimphu.

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Natur und Religion ist in Bhutan oft eins

Der Schatz des Landes liegt in seiner Kultur und seiner noch recht unberührten Natur. Viele Bergregionen sind für’s Bergsteigen gesperrt, zahlreiche Nationalparks bieten bedrohten Tierarten (z.B. dem Black Neck Crane) eine Erholungspause. Viele Zhongs (Festungen) liegen entlang Bhutan’s einziger nationaler Straßenverbindung, und diese ist oft auch schmal genug, dass gerade mal ein Fahrzeug durchkommt. Es gäbe in der Tat so viel über das Land zu schreiben, dass dieser Post wohl nie aufhören würde (wer mehr wissen will: LP Bhutan). Bhutan erfreute unser Herz, denn es war so bescheiden, ruhig und überhaupt ganz leise.

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Die Reisfelder sind schon abgerntet, der trockene Winter kehrt ein

Emotionen sieht man in Bhutan nicht viel. Zumindest nicht auf der Straße, höchstens am Bogenschießplatz. Da wird der Treffer zelebriert, da wird gejauchzt. Wir hatten es schon schwer, der Flugbahn des Pfeiles zu folgen, die Schützen traten aus 120 m an. Und sie trafen, wenn auch nur gelegentlich, mit ihren Bambusbögen. Viel Sport sahen wir sonst nicht, ausser dass unser zweiter Fahrer ehemaliger Fußball-Nationalspieler Bhutans war (spielte im Mittelfeld) und er sich darüber köstlich amüsierte, wie sie gegen Indien in der Nachspielzeit noch ein 1:2 kassierten. Unsere Guides waren Menschen wie du & ich und arbeiteten gelegentlich als Führer. Daher war es stets interessant für uns ein bißchen in den Alltag dieser Menschen zu schauen, was uns auch eine Einladung bei der Familie unseres Veranstalter-Chefs einbrachte. Da gab’s bhutanesisches Bier, Reiswein und allerlei Fritiertes. Getrocknetes Yak-Fleisch inklusive. Trinken ist übrigens keine seltene Leidenschaft in diesem Land, das sich in gewissen Verhaltensweisen (Essen, Sprache, Mode) der Moderne schneller nähert als vielen lieb ist. Traditionelle Kleidung ist Pflicht für jene, die im öffentlichen Dienst stehen. Aber der junge Teil schaut lieber MTV, spielt Basketball oder ahmt koreanische Schauspielerfrisuren nach.

Bhutan steht vor einem Umbruch, und es könnte passieren, dass alles zu rasch kippt und die asiatische Moderne wie eine Invasionsstreitmacht bis in die hinteresten Täler vordringt. Es ihnen nicht zu wünschen wäre blauäugig. Die fremde Welt bringt Gutes (das medizinische Know-How, bessere Versorgung, Bildung) und weniger Gutes (Abwanderung, Anstieg der Preise, Raub an der Natur). Wir sind höchstens Beobachter, und was wir gesehen haben, hat uns sehr gefallen. Wir wurden hofiert, das Reisen mutierte zu einer Vorstellung. Wir hatten zu schauen, zu essen und auszusteigen. Eine Reiseerfahrung, die wir auch mal machen mussten. Es ist bequem, aber unser ist es nicht. Bhutan ist aber allemal eine Reise wert, auch in einer Kutsche. Mehr Bilder zu Bhutan gibt es in unserer Foto-Gallerie.


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Reisen und die Natur, inklusive Skitouren, Bergsteigen und Wanderungen, das sind die Inhalte meines Blogs „Super gsi – Beginner’s Mind“. Mehr dazu hier…


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