Blackpool, das Zentrum des Bingo


Bevor ich nach Blackpool kam, wußte ich, dass dieser Ort vielleicht der mondänste Badeort ganz England ist. Der Begriff „Mondän“ trägt ja etwas sehr Gewichtiges, zumindest für mich, hat was Altehrwürdiges, wie eine Queen auf ihrem Thron. Ich glaube, das umschreibt Blackpool am 18. März 2009 ganz gut. Es ist in die Jahre gekommen, und die besten Zeiten liegen schon eine Weile her, rein optisch. Wie ein Hotel „abgewohnt“ sein kann, so ist das vielleicht mit Blackpool als Beispiel für eine vom Tourismus zehrende Stadt.


Der Nord Pier der Stadt – der Tidenhub muss wegen der Höhe des Piers gewaltig sein

Meine ersten Schritte hinaus aus dem Bahnhof waren recht verheißungsvoll. Die Sonne kam endlich durch den Nebel, die Bay lag ruhig, und die Möwen kreischten aufgeregt. Das Treiben war durchaus wohltuend, vor allem wenn man nach einer Zugfahrt durch das englische Hinterland ein wenig deprimiert aussteigt.

In den Straßen der Stadt falle ich auf. Nicht wegen des Rucksacks, nein, ich bin rund 40 Jahre jünger als alles, was sich hier bewegt. Man muss schon genau schauen, um ein Kind oder Jugendlichen zu entdecken. Die Stadt ist relativ gut auf Ältere und Leute mit Mobilitätsproblemen vorbereitet, es gibt gar Verkehrsschilder für Rollstuhlfahrer. Alles deutet darauf hin, dass das Publikum hier älteren Semesters ist. Ich suche nach weiteren Hinweisen, stoße dabei auf Casinos und Bingo-Hallen. Je weiter ich der Strandpromenade entlang laufe, desto mehr begegne ich dieser Sorte von Vergnügen. Was in Liverpool um die Mittagszeit an Bier gekippt wurde, das wird hier locker an diversen Automaten verzockt. Es erinnert mich ein wenig an das amerikanische Pendant Atlantic City, mit den Piers und dem Charme der Vorkriegsjahre. Ja, manchmal ist das wirklich so, dass die Zeit einfach stehen bleiben kann. Nur die Menschen werden älter, und das ergibt dann so eine eigenartige Atmosphäre eines Freiluft-Seniorenheims.


Alle Arten von „Amusements“ erwarten die Besucher von Blackpool

Auch wenn Blackpool an diesem Vormittag eine rege Bautätigkeit zeigt, wirklich neu erfinden tut es sich nicht. Blackpool möchte weiter modän bleiben, und spielt in den Straßen Musik eines englischen Karel Gott, so dass alles noch bedächtiger auf Krücken läuft. Sogar die Hunde schlendern hier in einem anderen Takt, was Blackpool in eine andere Liga von Städten bringt. In vielen Mythologien wird das Leben als eine Wanderung von einem Ort zum nächsten beschrieben, der Ort quasi als x/y-Koordinaten eines Lebensabschnitts. Blackpool würde ich zu jenen Orten zählen, die als vorletztes zu erreichen sind – der letzte Spaß sozusagen, wo man seine Ressourcen mit Leichtigkeit verbraten und Erinnerungen an ein schönes Früher wiederbeleben kann. Mit dem großen Knall schließt man alles ab, und bewegt sich weiter auf dem Weg zu jenem Ort, wo man den Körper dem großen Ozean übergeben kann, wie einst Johny Depp alias William Blake in Dead Man.


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