Der wilde Osten V – Popkonzert für Monika
Ein Gastbeitrag von Armin Delacher
Vorgestern war ich auf einem Konzert. Es war ein Wohltätigkeitskonzert. Veranstaltet von einer Schule zugunsten einer Mitschülerin deren Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Das Mädchen heißt Monika und ist ca. 10 Jahre alt – schätze ich. Das Konzert fand im hiesigen Kulturpalast statt – so in etwa in der Größenordnung der Wiener Stadthalle. Aufgetreten sind, bzw. angekündigt – mir angekündigt wurde die Veranstaltung als ein Abriß/Überblick der aktuellen bulgarischen Popmusik und ich muß zugeben – meine Freude auf den Abend resultierte eher aus der Erwartung von Kuriositäten als aus der Erwartung anspruchsvoller, qualitativ hochwertiger zeitgenössischer Musik. Ich habe mich ziemlich geirrt was meine Erwartungen betrifft.
Die Liste der Interpreten umfaßte sehr viele der zur Zeit populären Musikstile und -richtungen und InterpretInnen. Natürlich sagte mir keiner der Namen etwas. Der Anfang schien meine Erwartungen zu erfüllen, 5 hübsche junge Damen betraten die Bühne, jede sagte etwas das ich nicht verstand, dann betrat Monika, das kleine Waisenmädchen die Bühne und ich wußte nicht ob ich entrüstet oder schockiert oder gerührt sein sollte als sie vor versammeltem Publikum ein Lied zu singen begann. Ich weiß nicht ob der Text traurig war, die Melodie war es nicht – nicht für meine Ohren – und auch Monika entsprach nicht meiner Erwartungshaltung was Kleidung und zur Schau gestelltes Gefühlskostüm betrifft. Ihr Kleid war – dem Wetter angemessen – ein helles Frühlingskleid und sie freute sich sichtlich ob der Gesellschaft der 5 jungen hübschen Damen die wahrscheinlich bekannte Repräsentantinnen der hiesigen Kunstszene waren.
Wie gesagt – zunächst irritierte mich das. Ich hatte Schwarz und Trauer und Betroffenheit allüberall erwartet – zu mindest ein Lied in der Mitschluchzklasse von Claptons „Tears in Heaven“. Nichts dergleichen.
Nach einiger Zeit wich diese Irritation. Der natürliche Zugang war ansteckend. Es gab ein Problem, die Sachlage war nicht zu ändern, Mitgefühl und Solidarität war durch diese Veranstaltung mehr als genug zum Ausdruck gebracht – nun war es Zeit sich der Realität zu stellen. Den angenehmen den schönen Seiten derselben – vor dem Hintergrund dieser anderen Seite. Ich war … nein nicht beschämt, überrascht. Positiv überrascht – und wieder hatte sich ein Vorurteil, ein unserer österreichischen „Kultur“ entsprungenes Klischee in Nichts aufgelöst. Allein das war den Abend mehr als wert.
Aber es kam noch besser. Die Musik überraschte mich beinahe und vor allem vordergründig mehr als die zuvor beschriebenen Erkenntnisse und Einsichten die ein wenig brauchten bis sie in mein Bewußtsein durchgesickert waren. Was ich an diesem Abend geboten bekam entsprach in überhaupt keiner Weise meinen Erwartungen. Moderne Musik, von qualitativ oft beeindruckender Qualität, sowohl was die Musikstücke in teilweise überraschenden Komplexität als auch was die InterpretInnen und das Spektrum des Gebotenen angeht. Ich erinnere mich an eine Rapp-nummer – leider habe ich den Namen des Interpreten vergessen – die mich in ihrer komplexen Melodik in baffes Staunen versetzte. OK – der Interpret hätte seine Stimme etwas mehr aufwärmen können, aber als er in Fahrt und seine Stimme in Schwung kam … . Wirklich toll, auch die Souveränität des Vortrags, das Selbstbewußtsein. Kein Schenkelklopfen, kein Beweihräuchern sich selbst, keine zur Schau gestellten Bühnenverbrüderungen der InterpretInnen. Selbstbewußte Professionalität die mich als gelernten Österreicher in sprachloses Staunen versetzte.
Dann erinnere ich mich an ein junges Paar – er am Flügel – sie mit der Violine – und Gershwin interpretierend. Auch das beeindruckend. Technisch perfekt, nein virtuos das Spiel, das Beherrschen der Violine, die Farben, die Schattierungen, der Wechsel der Stimmung – und das in Kombination mit Spielwitz und Charakter und Persönlichkeit – ich kann mich nicht erinnern wann ich das letzte mal bei uns so beeindruckt war, so beeindruckendes Spielen erleben durfte – und das nach einer Nummer – jeder der Interpreten hatte nur ein Lied zum Vortragen. Bzw. Stück. Es gab auch Tanzeinlagen. Ein Alfredo oder Alberto – ein Cubanisches Salsagenie, das hier in Sofia Salsa unterrichtet. Unglaublich was Salsa sein kann. Wie hier Salsa unterrichtet wird konnte ich schon beobachten – aber das ist Thema für ein andermal – nur soviel. Was Finnland für den Tango ist – wird Bulgarien für den Salsa bzw. ist – nur bei uns weiß das noch keiner. Doch zurück zum Konzert.
Gleich die erste Nummer war eine sehr melodische Ballade selbstbewußt vorgetragen von einem gutaussehenden jungen Paar – Maria Ilieva – seinen Namen habe ich leider vergessen. Auch etliche Rappeinlagen, teilweise überraschend gut sogar für jemanden wie mich der mit Rapp nicht wirklich etwas anfangen kann, auch Hardrock – ebenfalls in Ermangelung von wirklichem Interesse für mich schwer einzuschätzen kam zum Vortrag – eine Tango-Einlage; der absolute Höhepunkt des Abend jedoch war eine Sängerin mit dem Namen Beloslava sowohl was ihre Bühnenpräsenz, ihren natürlichen Charme, ihre Ausstrahlung als auch ihre Stimme angeht.
Und dann natürlich fragte ich mich – wie gibt es das? Hier? Jetzt? Warum in Sofia und nicht in Wien?
Und ich bekam Antworten. Überraschende Antworten. Aber auch die sind Thema für ein andermal.
Nur soviel noch – am selben Abend habe ich – an einem anderen Ort in Sofia – meinen ersten Maybach gesehen. Der hat mich ein wenig enttäuscht – ist auch nur ein Auto. 😉
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