Tirnova: To The Onions of Your Mother!
Das Leben auf dem Land ist in Rumänien nicht eintönig. In der Nacht ziehen Esel am Fenster vorbei, am Tag rot-gesprayte Schafe. Musi, die schwarz-weisse Hauskatze jagt graue Mäuse oder macht sich ein Nest auf meinen Klamotten. Dennoch ist das Leben nicht einfach hier. Es ist unbequem und die Wege miserabel, die Jahreszeit zaubert auch kein Lächeln über das Gesicht. Niemand versteht, warum die Städter Aldina und Bobby auf’s Land gezogen sind. Das Konzept von einem Leben im Grünen als Stadtflucht ist in Rumänien ein einziges, großes Mysterium. Wilde Geschichten jagen durch das Dorf, warum die beiden hergezogen sind. Wenn ich mir Resita, die Stadt im Tal ansehe, verstehe ich es sofort. Nicht aber die Rumänen.
Migration ist aber für die Dorfbevölkerung nichts Fremdes. Jede Familie im Dorf hat irgendjemanden in Österreich. Als Gastarbeiter, meist als Pflegekraft. Im Dorf kommt man mit Deutsch also wankelmütig durch, die Verwirrung ist dennoch groß. Am Nachmittag sind wir bei Nachbarn, einen Riss in der Wand flicken. Nachbarschaftshilfe. Wir räumen die Möbel zur Seite, machen den Putz an. Die Stube hat ein Sofa mit einer Decke mit kitschigem Rosenmuster drauf, einen Wandteppich; Schränke soweit das Auge sie stapeln kann; eine Glasvitrine, hinter der sich das Bild des Enkels und vier identische Bilder des gleichen, langbärtigen Priesters befinden. Am Glas klebt ein Zettel, das Ergebnis eines Bluttests. Cholesterin: 230. Das scheint mir etwas überhöht, wundert mich aber keineswegs, als wir nach den Arbeiten in der Küche aus robusten Second Hand Möbeln aus der Alpenrepublik Platz nehmen. Blutwurst, Schweineschmalz und Salzkäse bilden den Hauptgang, das Getränk der Wahl im Hause der Nachbarn ist süßlicher Schnaps. Ich halte mich höflich zurück und knabbere am Weißbrot, während der Hausherr gnadenlos Material auf meinen Teller schöpft. Die Oma will anstoßen und sagt etwas auf Ostösterreichisch, was ich nicht verstehe, aber als Toast indentifiziere. Prost! und ich stoße mit dem Opa an. Er sieht mich kurz an, alle lachen, ich nicht. Dann kommt’s: ‘Prost‘ heißt auf rumänisch ‘Idiot‘. Danke! Ich klopfe Opa auf die Schulter und stoße nochmals an. Ich werde aufgeklärt, dass ‘pula‘ für ‘schlecht’ oder ‘mies’ steht, aber eigentlich das männliche Geschlechtsorgan bezeichnet. ‘Pizda‘ benennen Dinge als ‘gut’ oder ‘großartig’ und gleichzeitig das weibliche Gegenstück. Wer aber ‘Pussy‘ sagt, will einen Kuss. Puh, die Nachbarn wollen also checken, ob ich es begriffen habe und fragen, wie das Essen geschmeckt hat. Als ich es doch rausbringe, bricht das Gelächter los. Bei den Zwiebeln deiner Mutter, ruft der Opa, bitteschöeen! Jetzt probiere ich doch den Schnaps. Oder zwei.
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Reisen und die Natur, inklusive Skitouren, Bergsteigen und Wanderungen, das sind die Inhalte meines Blogs "Super gsi - Beginner's Mind". Mehr dazu hier...
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[…] wenn ich hier in Tirnova niemanden bis auf ein paar Familien kenne, mein persönlich adressierter Gruß ist zu 90% richtig: […]
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