Baku: Grenzstadt in vier Himmelsrichtungen
Den Tag habe ich fast verpennt. Geradeaus falle ich in mein Stockbett, in einem Zimmer, das acht Plätze zählt aber derzeit nur mir gehört. Es ist ein wundersamer Bau, hohe Decke mit einer übergroßen Türe, die direkt in den Wohnbereich weist. Der Rezeptionist versteckt sich hinter der hohen Theke und ich kann nicht anders als die Zimmertür für ein paar Stunden hinter mir zu verschließen. Mein Flug ging um halb drei morgens, Teheran liegt nun hinter mir, ein Umstand, der mich nicht glücklich macht. Was für ein Land!
Ich lande mitten in der Nacht an einem hypermodernen Flughafen, die ausschließlich weiblichen Grenzbeamten wickeln ihr Passgeschäft professionell und rasch ab. Ich bringe sie sogar dazu zu lächeln, um 03:44. Lange, offene Haare und Blickkontakt. Während ich ein Sofa in der Ankunftshalle in Beschlag nehme, um die frühen Morgenstunden abzuwarten, fallen mir die Augen zu. Irgendwann später sitze ich für 80 Cent im Bus in das Stadtzentrum von Baku. Ich hüpfe aus dem Wageninneren, ein Wind geht, der Himmel ist bewölkt und die Stadt scheint noch zu schlafen. Menschen sind unterwegs, Autos, aber es ist kein Stoßverkehr wie in Teheran, kein Gedränge auf den Gehsteigen, kein Hupen und kein Herumkurven. Die Ampeln haben wieder ihre Regelungsfunktion, die Zebrastreifen sind tatsächlich für Fussgänger da.
Baku hat ein interessantes Flair, das ich noch einzuordnen versuche. Ein kaukasischer Mix. Die verspielte Architektur aus Märchenschloss-artigen Türmchen und Fassaden wie in Tbilisi, überdimensionierte Plätze und Skulpturen à la Ashgabat, dazwischen der gängige Männertyp “Tschetschene” und die Liebe zu Mercedes-Limousinen wie in Tirana. Die Fussgängerzone könnte aus jeder mitteleuropäischen Stadt kommen und die westlichen Ketten buhlen auch hier um Aufmerksamkeit, ich aber gönne mir eine traditionelle Käse-Pide, die ich auch in Istanbul an jeder Ecke finde.
Das sowjetische Erbe ist wenig sichtbar. Dennoch grüße ich russisch und die Frauenmode verrät etwas vom großen Nachbarn weit im Norden. Letztlich im Osten – das Kaspische Meer. In Chalus hatte es etwas von Sommer und Ferien und der Gelöstheit für wenige Momente, Leuchtreklame und 24-Stunden offener Strandpromenade. In Baku: weite, gepflegte Corniche mit Kieferbäumen und steinernen Gebäuden, hübschen Parks und Bootsanlegestellen. Es hat das Flair einer Mittelmeer-Riviera.
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Reisen und die Natur, inklusive Skitouren, Bergsteigen und Wanderungen, das sind die Inhalte meines Blogs "Super gsi - Beginner's Mind". Mehr dazu hier...
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[…] den Bäumen von Baku flaniert es sich gut. Kurze Röcke, flatternde Haare, Sonnenbrillen und Schaulaufen. […]
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