Bekaa Valley: Der Rotwein ist immer noch präsent
Reisen ist das beste und vielleicht einzige Mittel gegen Ignoranz gegenüber anderen Kulturen. Wir hören so viel im Westen über andere Länder und Völker, über deren Werte und Verhaltensweisen, über den aktuellen Zustand der Lage und was uns alles droht. Wenn ich hier im Libanon den Leuten erzähle, wie man bei uns über ihr Land denkt, dann bekomme ich Kopfschütteln, Lachen oder ein trauriges Gesicht zu sehen. Jeder einzelne Tag zeigte mir, wie das Land tickt und lebt, ob in den Bergen oder in Beirut, in Begleitung einer Gruppe oder eines einzelnen Freundes. Für das Bekaa-Tal, der “Hochburg der Hizbollah”, gilt eine partielle Reisewarnung des Aussenministeriums, und ich frage mich, ob dort schon mal jemand von unseren Vertretern war.
Das Bekaa Tal ist eine Hochebene zwischen den zwei Gebirgszügen des Libanon. Von Beirut kommend fahre ich und Pierre auf der Autobahn über die Berge in eine äußerst fruchtbare Gegend. Der Verkehr ist dicht, die Grenze nach Syrien, keine dreissig Kilometer entfernt, ist offen. Unser Ziel ist Balbeek, eine der bedeutendsten römischen Tempelanlagen, die der heutigen Welt erhalten geblieben sind. Wir verbringen mehrere Stunden dort. Es ist ohne Übertreibung sehenswert. Alleine die Dimensionen der Bauten lassen einen in Ehrfurcht über die Ingenieurskunst staunen.
Die andere Überraschung des Tages ist das entspannte Alltagsleben in den Städten und Dörfern des Tales. Ja, es gibt Checkpoints des Militärs. Aber diese dienen fast eher der Verkehrsregelung als irgendetwas anderem. Ich sehe Poster von Nasrallah, Hizbollah-Flaggen und Verkaufsstände für gelbe Hizbollah-T-Shirts. Die Hizbollah gilt im Libanon als politische Kraft, die militärisch bewaffnet und straff organisiert, zuallerst als Verteidigerin Libanons gesehen wird. So auch von den Drusen und den Christen. Ja, es gibt mehr Kopftücher im Bekaa-Tal als vor zwanzig Jahren. Der Iran wie Saudi-Arabien üben Druck auf “ihre” Glaubensbrüder im Libanon aus. Aber die Leute nehmen das mit einem Achselzucken. Libanon hat schließlich 7000 Jahre Geschichte hinter sich. Fremde Einflüsse kamen und gingen, genauso wie ihre Herren. Was die Leute wollen, ist Aufbruch und Wohlstand. Und so scheint es mir am Ende des Tages gar nicht mehr unerwartet, dass wir am berühmtesten und besten Weingut des Landes (Chateau Ksara) zur Weinverkostung antreten. Mitten im Bekaa Valley.
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Reisen und die Natur, inklusive Skitouren, Bergsteigen und Wanderungen, das sind die Inhalte meines Blogs "Super gsi - Beginner's Mind". Mehr dazu hier...
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[…] der Anlage großzügig (weit nicht so groß wie Angkor Wat und nicht so gut erhalten wie Balbeek). Ich schaue mich um, so gut es unter dieser Hitze geht. Später torkle ich müde aus dem Wagen in […]
[…] Nach einem wunderbaren Frühstück aus dem Kofferraum (drei Datteln, die ich noch aus dem Libanon retten konnte) mache ich mich im breiten Flusstal auf den Weg. Die Wegmarkierung verliere ich schon […]
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