Wadi Rum: Männerrunden dieser Welt
Nach dem Abendessen sitzen wir am Feuer. Vier Männer, vier Geschichten, angewinkelte Beine auf roten Sitzpolstern am Boden des Essenszelts. Abdallah, der Älteste vom Chef und mein engster Freund in Wadi Rum, zieht wie immer an seiner Wasserpfeife. Es blubbert. Der süße Geruch von Shisha hüllt das große Zelt ein, ich inhaliere gerne mit, greife nach meinem kleinen Glas heißem Tee. Schwarzer Tee in Zucker. Ibrahim kramt in seiner Brusttasche, schaut in seine Zigarettenpackung und schmeißt sie enttäuscht, weil leer, ins Feuer. Unwillig verlässt er seinen warmen Platz und eilt hinaus über das Gelände in die Küche. Ich höre ihn seine Frau rufen. Ich verstehe kein Wort, kann mir aber ausmalen, was er so dringend möchte. Neben mir lehnt sich Ja`far gegen ein Rückenpolster und zieht an seiner Zigarette. Pensionierter Oberst der jordanischen Armee, bis zuletzt Militärattaché im Ausland. Hat viel Mist in der Welt gesehen, Aufruhr und Terror, Bomben und Tote. Ich mag ihn. Seine Augen lachen. Vielleicht genießt er jetzt seinen neuen Lebensabschnitt, oder freut sich darüber einfach am Feuer zu sitzen, unter Männern, in die Glut zu starren, hin und wieder ein paar Worte zu wechseln, aber meist, wie wir alle, zufrieden zu schweigen.
Der Höhepunkt des Tages im Camp: das Abendessen für die Gäste
Ja`far ist jetzt Fahrer und Tourguide. Nicht dass er es finanziell nötig hätte, aber das Nichtstun hat ihn krank gemacht, sagt er und zeigt auf seinen Rücken, die Beine, die Arme, zuletzt auf seinen Kopf, und ich denke mir, was tut ihm nicht weh? Mustafa, ein Schulfreund, hat ihn engagiert, seit Jahren bezirzt, dass er in seiner Reiseagentur miteinsteigt. Mit Nader, ebenfalls ein alter Schulfreund und pensionierter Offizier der Luftabwehr, ist er dann vor Monaten eingestiegen. Die drei fahren nun Touristen quer durch Jordanien, meist immer die gleiche Route von Amman via Petra nach Wadi Rum, über Aqaba ans Tote Meer und in die Hauptstadt retour. Sie mögen Wadi Rum, wohl wegen des Beduinencamps, wo wir dann am Abend am Feuer sitzen und gemeinsam am Boden essen und Tee trinken. Ja`far ist in seinen Jeans und grauem Sweater die Karriere beim Militär nicht anzusehen. Wir machten uns dennoch einmal den Spaß und holten die Gäste des Camps mit einem lautem “Tagwache!” aus den Betten in das Frühstückszelt, boten dann etwas Frühsport zur Animation. Es hat nie jemand mitgemacht.
Das Feuer ist bereit, die Wasserpfeife auch
Ibrahim kommt mit einer frisch angebrochenen Zigarettenschachtel zurück und grinst. “Mike“, sagte er und klopft mir auf die Schulter, wir alle lachen wieder, weil er ‘Mark’ einfach nicht aussprechen kann. Er zückt sein Telefon aus der Tasche, wir schauen uns ein paar lustige, arabische YouTube Videos an. Soviel zur modernen Lagerfeuerromantik. Aber die Jungs ticken anders – irgendwann fängt einer von ihnen an leise zu singen, dann steigt der nächste ein, jemand klopft gegen den Boden, die anderen klatschen, die Stimmen werden lauter und das Feuer lodert immer höher. Es ist kein Wettbewerb und kein Herumgeschaukle Arm in Arm, die Stimmen sind tief und leidenschaftlich, die Melodie traurig, ich verstehe kein Wort, aber wie immer geht es um das Leben, das Glück, die Frauen und die Ehre, wie in allen Männerrunden dieser Welt. Das Leben, das Glück, die Frauen und die Ehre, wie Abdallah mir dann am nächsten Tag erklären wird. Ibrahim hält es nun nicht mehr am Boden, er springt überraschend leicht auf und beginnt sich langsam zum Takt und Gesang zu bewegen, schwenkt einen Arm nach oben, beugt sich über, die Beine stampfen im Rhytmus. Die Augen geschlossen, die Stimme nun laut und klar, versinkt Ibrahim im Text des Liedes. Die Nacht ist längst angebrochen, die Sterne starren herab, wie vor Millionen von Jahren, und der Rauch des Feuers zieht zu ihnen hinauf.
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Reisen und die Natur, inklusive Skitouren, Bergsteigen und Wanderungen, das sind die Inhalte meines Blogs "Super gsi - Beginner's Mind". Mehr dazu hier...
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