Amman: es ist Zeit zu gehen
Ich starre auf den Flügel des Airbus, unter mir dichte Wolken, im Osten geht die Sonne auf. Das Morgenland, ein letztes Mal, denke ich und schaue mich um – schlaftrunkene Menschen in Jogginganzügen und Lederjacken. Ich fühle mich in der Kabine deplatziert, esse langsam mein weiches Sandwich. Wenig später, wir setzen zur Landung an, die Städte im Nebelmeer sehen wie gigantische Unterwasserleuchten aus. Das Fahrgestellt knallt mit einem Ruck auf der Landebahn auf, es ist dunkel und Schnee liegt abseits der Landebahn, wir sind in Bukarest. Menschen springen auf, reissen ihr Gepäckfach auf. Ein Tumult entsteht, als sich zwei ältere Damen in die Haare kriegen. Andere mischen sich ein, es wird laut, ich verstehe kein Wort, aber fast alle an Bord denken sich dasselbe.
Landschaft in den Bergen um Petra
Über Petra reiste ich von Wadi Rum nach Amman. Der kleine Bus war voll mit Rucksacktouristen. Pärchen, Einzelreisende, kleine Gruppen, ein Mann mit Bart und olivgrüner Kapuzenjacke. Wie immer drehten sich die Gespräche um Reisepläne und Herkunftsländer, über tolle Erlebnisse und großartige, individuelle Errungenschaften. Ich sah zum Fenster hinaus auf die karge Landschaft, die mir mehr sagte als die zwei Dutzend Stimmen im Bus. Die Felder lagen brach, und bei soviel Fels und Stein fragte ich mich, was in dieser Höhe von 1500 m überhaupt gedeihen konnte. Schnee lag in schattigen Hängen und in Straßengräben. Hin und wieder passierten wir Dörfer oder wichen nur knapp einem der vielen Hunde auf der Straße aus. Der Bus schwankte bis nach Amman. Auf den Hügelketten entstanden moderne Windparks.
Von Petra sah ich nichts außer dem Bergpanaorama. Ich musste an diesem Tag weiter und in Amman war ich richtig. Die Straßen der Altstadt vibrierten vor Geschäftstätigkeit, als wäre Winterschlussverkauf im Bazar. In den engen Gassen und Gehsteigen war für mich fast kein Durchkommen, mit zwei Rucksäcken behangen. Waren wechselten auf der Straße ihre Besitzer, die Klingeln der Geschäftstüren läuteten unentwegt, aber die meisten Fußgänger standen nur herum und tratschten, als wäre die Straße ihr Wohnzimmer und jede Menge Freunde zu Besuch. Menschen kamen und gingen aus der Moschee, rückten Stühle in den Restaurants an die Tische, lachten und schrien über die Straße, die Autos hupten und die Tauben versuchten etwas vom Boden zu erhaschen. Bald fiel die Dunkelheit über Amman herein, aber dem Wirrwarr tat dies keinen Abbruch. Ich marschierte durch die Stadt zu einem Busbahnhof, es wurde kühl und immer mehr Wachen tauchten auf, die Waffen umgehängt und mich prüfend anstarrend. Ich lief wohl eine ganze Weile, bevor ich ein SMS von Madallah erhielt, dass die hochschwangere Kamel-Dame in seinem Garten endlich ein Kamel-Baby geworfen hat. Bald werden beide in die unmittelbare Nachbarschaft des Wüstencamps wechseln und die Mama Kamelmilch für die Gäste abliefern. Ich steckte das Telefon weg und da stand mein Taxi zum Flughafen. Es wurde Zeit.
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