Cartagena: ins Winterquartier
Wir segeln in den Winter. Der Wind kühlt uns aus, der Himmel verdichtet sich dunkelgrau. Aber ich schmecke keinen Schnee, der vom Himmel schweben wird. Die nahe Küste fällt steil ab, hohe Leuchttürme begrenzen die enge Passage. Jonna und ich stehen, trotz laufender Nasen und klammen Fingern, aufrecht im Cockpit. Es sind perfekte Segelbedingungen. Stramme 18 Knoten auf Steuerbord in einer fast glatten See. Die Tangaroa genießt die rauschende Fahrt, endlich hat sie eine Pause von den Schlägen der See, die das Mittelmeer im Dezember beherrscht. Aber zwischen Formentera und Ibiza ist die Natur gnädig mit uns und läßt uns unangetastet passieren. Wir sind dankbar für diese Stunden und Momente, haben Respekt für den raschen Wechsel der Winde, die uns jederzeit einholen können. Wir erholen uns mit einer seltenen Tasse heißem Tee und einem Teller kalter Pasta. Der Autopilot kontrolliert unseren Kurs, während wir uns im Inneren im Schlaf aufwärmen.
Es wird schnell dunkel, der Wind ebbt ab, der Motor startet, um im Morgen wieder aufzufrischen. Wir segeln hart am Wind, das Boot rollt, wir verharren im Cockpit wie zwei Treibende auf einem Floß. Das Land erstreckt sich am Horizont, Linien von Bergketten, die in der nächsten Nacht zu Linien von Straßenbeleuchtung werden. Es sind lange Stunden, jeder in seinen Gedanken versunken – das bevorstehende Winterquartier in Cartagena, die frohen Tage in Palma. Thorgeir hat uns einen Besuch in der Marina abgestatten, kam den Umweg über Barcelona nach Valencia für einen Tag zu uns. Thorgeir wäre unser erster Gast auf einem Segeltörn gewesen, hätten wir nicht den Atlantik auf die nächste Saison verschoben. Ich habe seinen Rucksack gesehen und an die nächsten Wochen gedacht, an Straßenschuhe und Staub. Thorgeir ging seinen Weg, wir verließen Palma, wieder einmal mehr in der Nacht. Jonna hatte die Steuerung am Ruder reparieren können, dann begann es zu schütten. Ein letztes Mal sahen wir den alten Herren in der Bar Dia beim Kartenspielen zu, dann zogen wir unser Ölzeug über.
Drei Nächte und zwei Tage später laufen wir in Cartagena ein, es ist fünf Uhr morgens, der Hafen leuchtet den pechschwarzen Morgen aus. Kräne stehen still, Kriegsschiffe liegen am Kai. Etwas weiter weg und von uns zunächst unentdeckt verharrt die weltgrößte Segelyacht, die A, am Dock. Erschöpft parken wir die Tangaroa rückwärts in der Marina und suchen eine heiße Dusche. Das Jahr geht zu Ende, zweitausend gemeinsame Seemeilen.
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[…] windet stark, so wie oft in Cartagena. Der Himmel wolkenlos und voller Möwengeschrei, ich stehe auf einem der vielen Hügel um die […]
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[…] die Tore verriegelt, nur mein Blick, der über die düstere Landschaft schweift, zeigt Bewegung. Eine Landschaft, die ich noch vor zwei Nächten sehnsuchtsvoll von einem schaukelnden, fröstelnden …. Die gelbliche Beleuchtung der Küste schien zu jener Stunde einladend, es zog meine Phantasien […]
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Reisen und die Natur, inklusive Skitouren, Bergsteigen und Wanderungen, das sind die Inhalte meines Blogs "Super gsi - Beginner's Mind". Mehr dazu hier...
Hi Mark,
wie immer verfolge ich deine spannenden Berichte von deinen Abenteuern und bin immer wieder fasziniert, wo dich das Leben überall hintreibt.
Solltest du den Winterschlaf dafür nützen, dir deine morschen Seemannsknochen in den tief verschneiten Bergen deiner alten Heimat zu vertreten, so lasse es mich wissen, ich würde mir gerne Zeit für ein gemeinsames Skitürle nehmen.
Falls du jedoch lieber deinen Bauch am Strand sonnst, kann ich dir das auch nicht verübeln und wünsche euch jedenfalls einen guten Rutsch ins neue Jahr, oder sagt man besser: Mast und Schotbruch?
Schöne Grüße us`m Ländle
Gerhard
hey Gebo,
schön von dir zu hören! A Skitürle geht sich vorerst nicht aus, ich bin auf dem Weg nach Jordanien. Wieder ein Kapitel mehr…
Ich hoffe, es geht was mit den Ski im Frühjahr, da gäbe es jedenfalls viel zu erzählen!
cheers
-mark
PS: “Mast- und Schotbruch” passt. Auch gut: “Fair winds and following seas” oder “Immer eine Handbreit Wasser unter`m Kiel”