Bordeaux: zwischen Biscaya und Dordogne
Es beginnt zu nieseln, der Himmel ist wolkenverhangen, ich steige ins Auto und fahre aus Santa Gadea hinaus. Wieder lasse ich dieses kleine Dorf zurück, Marta und Sofia, wieder breche ich auf, zurück nach Vorarlberg, was auch immer das ist, Zuhause, Wohnort, ich weiss es in diesen Minuten nicht. Ein alter Herr wackelt die Straße entlang, ich bleibe stehen, nehme ihn mit ins nächste Dorf. Er kommt kaum ins Auto, ich verstaue seinen Regenschirm und Gehstock, der genauso knorrig ist wie der Mann selbst. Braune Haut im Gesicht, tiefe Falten, graue, kurze Haare, darüber eine Stoffkappe, und mit einem Karo-Hemd ein bißchen aufgeputzt für einen Schäfer, aber es ist Feiertag in Spanien. Für knappe fünf Minuten gehen wir gemeinsam unseren Weg im Leben. Wir reden wenig. Ich kann ihn schwer verstehen, ich glaube er hat keine Zähne mehr, also sage ich ein paar Worte, über den schönen Regen heute, und dass in Österreich bald Schnee fallen wird. Ich fahre langsam, genieße es fast schon, meinen Fahrgast durch seine Landschaft zu kutschieren, und dann läuft auch noch „For Lovers“ von Pete Doherty aus den Lautsprechern – “I’m running away with you…“, als würden wir zwei nun in die Ferne aufbrechen. Ich drehe etwas lauter, am Gesicht des alten Mannes ist keine Regung zu sehen, nur das Auto piepst dauernd, weil er sich nicht anschnallt. Ich sage nichts. Dann halte ich im nächsten Dorf, er sagt mir noch, wie ich weiter nach Bilbao fahren muss, und meint, das glaube ich zumindest zu verstehen, wenn ich wiederkomme, nach Santa Gadea, dann soll ich ‚Hallo‘ sagen kommen. Si, mache ich, er steigt aus, bedankt sich und geht seinen Weg. Ich schaue ihm nach. Wer wird mich in 40 Jahren auf einer Landstraße auflesen und ein Stück mitnehmen?
Einige Stunden später, das Auto steht mittlerweile in der Altstadt von Bordeaux, ein kleiner, schwarzer Welpe beißt an meinen Turnschuhen, sein Herr im Schlafsack am Boden, hinter dem Fahrstuhl, schaut besorgt nach seinem Begleiter. Wir beide lächeln, weil der Kleine einfach nichts anderes kennt als die Welt zu entdecken, mit seinen kleinen Zähnen, er springt herum und zerrt an meiner Hose. Hinter ihm stehen die großen, modänen Fassaden der Steinhäuser, die der Garonne entlang nach Osten schauen, ein Zeugnis des Reichtums der Stadt, zumindest aus einer anderen Generation, denn das Weingeschäft lief schon immer recht gut. Mein Gang durch die Gassen ist nicht allzu lang, es ist hektisch, ich bin hektisch, kleine Züge mit Touristen fahren in der Gegend herum, und mir ist weniger nach Sightseeing zu Mute, sondern nach Ziegenkäse. Die Dordogne und das Perigord kann man schwer befahren, ohne an einem Delikatessen-Laden anzuhalten, und so wird am letzten Stück der Fahrt retour das Auto um Einiges beladen. Kastanienpüree, Karamelaufstrich, Käse, Cidre, Feigenmarmelade und eingemachte Hülsenfrüchte.
Die Nacht wird lang, Nebel kommt auf, der Verkehr dünnt sich aus, als ich durch Zentralfrankreich fahre. Hin und wieder muss ich auf Landstraßen durch kleine Dörfer ausweichen, wenn Tunnels für Reparaturen während der Nacht gesperrt sind. Sie wirken so ausgestorben. Irgendwann besorge ich mir doch einen Straßenatlas, zu viele Kilometer fahre ich irgendwo, schlafe dann drei Stunden an einem Rastplatz, um wieder aufzubrechen, den Weg fortzusetzen, in der Hoffnung auf ein Wiedersehen.
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