Mt. Rainier: Spur ziehen bis ganz nach oben
Ich starre auf das blaue Seil vor mir, wie es sich von mir wegbewegt, und ich dann aufschließe, ständig aufpasse, nicht darauf zu treten. Das geht Schritt für Schritt so, Meter für Meter, tausende Meter. Die Sonne brennt herunter, ich habe meine Helm schon längst im Rucksack versorgt, meine Kehle schreit nach Wasser, und die Schultern sind schon vom ewigen Stützen müde. Die Höhe von über 3.500 Meter macht sich bemerkbar, ich gehe langsamer, Schritt für Schritt. Wir sind auf dem Weg zum Gipfel des Mount Rainier.
Mount Rainier ist einer DER Ski-Gipfel in den North Cascasdes. Ein Vulkan, wie einige andere auch, überragt er den Horizont, hat sein eigenes Mikroklima. Die Schönwettertage sind in der Minderheit, und so nutzen wir eine angekündigte Schönwetterphase, um rasch von British Columbia nach Washington überzusetzen. Wir übernachten am Ausgangspunkt unserer Tour in Paradise (1.560 m). Zuvor legen wir mal schnell 90US$ für die Climbing Permits bei der Ranger Station hin. Es ärgert uns schon ein wenig, für einen einzigen Gipfel ist das schon recht heftig. In dieser Nacht schüttet und schneit es, es stürmt, aber wir zweifeln nicht am Wetterbericht. Und so ist es am nächsten Morgen: leicht bewölkt im Tal, doch bald wird klar, oben ist es herrlich.
die Wolken lichten sind, Mt. Rainier zeigt sich uns
Wir steigen mit ordentlichem Gepäck (Zelt, Schlafsack, Proviant für zwei Tage plus Gletscher- und Skitourenausrüstung) gegen Norden. Wir sind die ersten und einzigen an diesem Tag, die das Muir Snowfield erreichen werden. Schön, aber auch viel Arbeit, denn der neue Schnee ist gut 40 cm hoch, und wir können mit Hilfe von GPS und etwas Navigationsgefühl die Route selbst wählen. Wie wir später bemerken, wird die Route von fast allen angenommen und verfolgt. Wir laufen zunächst recht gemütlich über die Baumgrenze, dann kommt die Sonne, und dann viele Meter am Schneefeld bis zur Scharte, wo das Muir Camp (3.010 m) liegt. Das Biwak ist offen, also sparen wir uns den Zeltaufbau und übernachten in einem Kühlschrank. Davor können wir aber gute zwei Stunden Sonne in der Windstille genießen.
im Muir Biwak, Nudeln schlürfen
Der nächste Tag ist Gipfeltag. Über die erwähnte Scharte geht es zunächst, bereits angeseilt, über einen ersten Gletscher zur Cathedral Gap. Auf der anderen Seite aber kommt das Wilde des Mt. Rainier hervor: riesige Gletscherflüsse mit zahlreichen Seracs und Spalten. Wir folgen zunächst der Cathedral Ridge und queren an ihrem Ende über den Gletscher zu einer weiteren Felsgruppe: dem Disappointment Cleaver. Wir rätseln zunächst, wie wir da hinaufkommen können. Schaut sehr steil aus. Wir entdecken dann eine kleine Lücke, und queren da hinein. Definitiv die Crux, wenn man hier abrutscht, dann ab durch das Kliff hinab in die Spalten. Es gelingt, aber viel weiter kommen wir nicht auf Ski. Der Hang wird nach oben hin steiler, also wieder mal Ski auf den Rücken und hinauf. Der Schnee ist sehr tief, und wir rutschen mit ihm immer wieder zurück. Es kostet uns viel Arbeit und Kraft, die geschätzten 300 Meter zu erklimmen. Wir schnaufen. Aber auch mit den Ski ist der Cleaver steil und anstrengend. Wieder am Seil, immer weiter. Endlich kommen wir vom Cleaver wieder auf einen breiten Gletscher, können hier recht gut zwischen den Seracs und Spalten navigieren. Die Sicht ist prächtig, locker 50 Kilometer.
mühsamer Aufstieg im tiefen Schnee am Disappointment Cleaver
Die Gipfelkuppe scheint nicht mehr allzu weit, und wir reissen uns nochmals zusammen. Die Schritte sind nun verdächtig langsam, und unsere Getränke aufgebraucht. Ich stopfe mir Schnee in den Mund und über die Haare. Die Entfernungen am Mt. Rainier täuschen. Alles wirkt so zum Greifen nah, und dann entpuppt es sich als ein veritables Zwischenziel. Auf diesem Berg wirken die Kuppeln und Felsen wie eine Fatamorgana, nähert man sich ihnen, dann tauchen dahinter wieder andere auf. So geht es, und die Zeit verrinnt plötzlich sehr schnell. Um 13.30, endlich, erreichen wir auf unserer Spur das Gipfelplateau, den Kraterring (4.372 m), von Südosten. Wir liegen sofort im Schnee, schnaufen erstmal ein paar Augenblicke, bis wir etwas herausbringen. Die Pause fällt entsprechend länger aus. Auch, weil wir wissen, dass wir eine fast 2.500 m lange Abfahrt vor uns haben.
Gipfelblick mit Mt. Adams (li), Mt. St. Helens (re) und im Hintergrund (mi) Mt. Hood
Oben versuchen wir Kraft zu sparen und den Kurs nicht zu verlieren. Als wir dann auf den Cleaver gelangen, wird es interessant. Sehr steile Hänge mit bereits durchfeuchteten Schnee. Alles geht gut, auch die Querung und Ausfahrt aus dem Cleaver. Von hier ist das Muir Biwak nur noch eine schnelle Abfahrt. Wir packen zusammen, sehen, dass nun viele Leute hinaufkommen. Wir stemmen unsere Rucksäcke hoch, wechseln noch das eine oder andere Wort mit künftigen Gipfelaspiranten, und dann geht’s nochmals 1.500 Höhenmeter herab durch teils sulzigen Schnee. Am Auto, so schnell haben wir eine Zwei-Liter-Flasche noch nie ausgetrunken, schmeißen wir alles in den Inneraum, melden uns bei den Rangern im Tal ab, und queren den Südteil Washingtons auf dem Weg zum Mt. St. Helens. Eine Dusche geht sich dazwischen aus, und dann noch etwas Pflegecreme für den Sonnenbrand an den Oberarmen und Nacken. In Cougar ist der Nachthimmel sternenklar. Um Mitternacht sind wir bettfertig, um 05.30 geht der Wecker. Mt. St. Helens ist kein Spaziergang.
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[…] wollen drei in einer Woche: Mt. Rainier, Mt. St. Helens, und dann noch Mount Adams. Wir haben eine Schönwetterphase, die bald zu Ende […]
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[…] wechselt langsam in den Frühling, zumindest im Tal ist es in Washington schon frühsommerlich. Am Mount Rainier hatten wir schon teilweise schweren Schnee, und am weit niedrigeren Mt. St. Helens sollte es nicht […]
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"Super gsi - Beginner's Mind" berichtet über Mark's Reisen und Outdoor-Aktivitäten, meist Skitouren, Bergsteigen und Bike-Touren. Mehr dazu hier...
Hallo euch Beiden! Herzliche Gratulation zum mühsam erkämpften Gipfelsieg. Sah auch ohne White-Out ziemlich knackig aus. In der herrlichen Berglandschaft hätte ich wohl wieder an die tausend Fotos machen müssen. Wünschen euch weiterhin so schöne Touren, freuen und schon auf weitere Berichte und immer schön aufpassen.
Gerhard und Maureen
PS@Mark: Klettern nicht zu kurz kommen lassen, sonst musst du dich nach deiner Rückkehr warm anziehen 😉
hey, ja, klettern kommt hier definitiv zu kurz. Aber das hole ich in zwei Monaten Training wieder rein 😀
Was macht ihr im Sommer?
cheers, Mark
PS: du würdest hier auf keinen Berg kommen, weil es viel zu viel zu fotografieren gäbe 😀
Im Sommer sind wir nun definitiv 2.5 weeks in Island, sollte daher unbedingt vorab noch dein Zelt ausprobieren…hoffe das Stangenhalten bleibt uns erspart. Sind jedenfalls schon in Vorfreude, wobei bei Maureen noch der Prüfungsstress überwiegt.
Sind schon gespannt, was ihr als nächstes so vorhabt. Der McKinley wäre doch nur ein paar Flugstunden entfernt..? 😉
Schöne Grüße aus dem frühlingshaften, jedoch überwiegend regnerischem Ländle! Außer heute, da ging es zur Abwechslung mal bei sunny means auf´s Flüela Schwarzhorn.
Gebo
cool. vom Pass aus oder vom Gasthof weiter unten auf der Davoser Seite?