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Sitzen und spekulieren am Refuge de Cosmique

Bereits zum dritten Mal sitzen wir im “Aux Petit Gourmet” in Chamonix, mit müden Beinen, heißen Gesichtern und leeren Köpfen. Der café au lait tut sichtlich gut, ich recke mich entspannt in die Höhe, fühle mich wohler in meinen Straßenschuhen und Hose, doch der Berg bleibt in meinen Gedanken kleben und seine Bilder lassen mich nicht los. Diesmal sitzen wir nicht allein, Walter und Heinz, beide aus Innsbruck, leisten uns Gesellschaft, schon wie in den letzten beiden Tagen. Wieder und wieder lassen wir die letzten Stunden Revue passieren, diskutieren über unsere Entscheidungen, versuchen eine Spur Ratio darin zu finden, was wir getan und was wir nicht getan haben.

mont-blanc
die Sicht am Aiguille du Midi am Freitag

Wie so oft am Berg beginnt und endet alles mit dem Wetterbericht. Den Mut nach Chamonix zu fahren, wieder und immer wieder, gibt nur die Aussicht auf ein, zwei Fenstertage Sonnenschein am Gipfel des Mont Blanc. Es tönt so gut: Freitag noch etwas bewölkt, Samstag und Sonntag nur mehr Sonne. Im Geiste sind wir im Aufbruch, und auch am Mittwoch Abend, als die Wettervorschau für Sonntag etwas schlechter ist, haben wir schon gepackt. Donnerstag um 10.00 fahren wir los, das Wetterfenster ist wieder etwas kleiner geworden, doch Samstag bleibt unser Gipfeltag. Fünf Stunden später fahren wir in ein wolkenverhangenes Chamonix, marschieren in Ski-Montur durch die Stadt. Nichts Außergewöhliches hier, doch schon die Dame am Kartenschalter zur Aiguille du Midi warnt indische Touristen: keine Sicht da oben, völlig im Nebel. Für heftige 42 Euro pro Nase lassen wir uns trotzdem nach oben bringen, und sind auch die einzigen, die den Ausstieg in die Nebelsuppe zum Grat wagen. Es ist warm, der Schnee patzig, wir stampfen hinunter, wissen nicht, was wir davon halten sollen, uns beschäftigt nur eins: die Refuge de Cosmique in diesem weißen Nichts nicht zu verpassen.

Wir treten in die Hütte ein, aber auch die Hüttenwirtin warnt dezent und doch bestimmt: Freitag wird kein lustiger Tag. Damit können wir leben, schlimmstenfalls in der Hütte ein wenig akklimatisieren. Als wir am Abend dann Walter und Heinz beim Abendessen begegnen, packen wir unseren ursprünglich Plan wieder heraus, zumindest auf die Schulter des Mont Blanc du Tacul aufzusteigen und dort, jetzt gemeinsam, eine Spur anzulegen. Wie ein Blankoscheck wird der aktuelle Wetterbericht von Tisch zu Tisch gereiht und verspricht nichts Gutes. Keine Sicht, Schneefall. Am Freitag versuchen wir es zweimal, zum Tacul zu kommen, doch die fehlende Sicht macht eine Orientierung schwierig und gefährlich. Am Nachmittag geben wir es auf, dösen in den Schlafkojen, lesen, beschäftigen uns mit der Taktik für den Gipfeltag.

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der geladene Hang zur Schulter des Mont Blanc du Tacul am Vorabend

Der nächste Wetterbericht kommt herein, in der Nacht soll es aufklaren, die Temperaturen fallen. Das tut es auch, doch am Berg liegen 30 bis 50 cm Neuschnee. Die Bindung zum Altschnee ist schlecht, die Lawinenwarnstufe steigt regional auf über 3000 m Seehöhe auf 3 an. Ich krieg einen schweren Kopf, schnaufe durch. Soll es das wieder gewesen sein? Wir hören von anderen, dass sie gegen 02.00 den Gipfelanstieg wagen wollen. Wir wollen erst gegen 3.30 losgehen, wenn überhaupt, möglichst wenig im Dunkeln spuren, um nicht irgendwo in eine Falle zu tappen. Als wir dann um 03.00 frühstücken, blinzeln die Sterne am dunklen Himmel. Das Wetter hält. Aber was macht der mächtige Hang am Tacul? Gestern Abend hatten die Wolken für kurz eine Sicht darauf freigegeben. Für wenige Sekunden, die sich aber ins Auge brennen: der Hang schaut geladen aus. Niemand von uns vier kann viel essen, wir sind alle mit den Gedanken am Aufstieg. Wir sind bereit in die Kälte hinauszutreten, als Walter die Lichter der ersten Gruppe am Col du Midi entdeckt – sie kehren zurück!

Wir warten, bis diese Seilschaft am Refuge ankommt. Wie wir schon am Freitag gesehen haben, als ich bei einer kleinen Abfahrt ein Mini-Schneebrett auslöste: die Bindung zwischen Neuschnee und alter Grundschicht ist nicht vorhanden, man kommt schlicht den steilen Hang nicht hoch, da der Schnee abrutscht. Es ist wie in einem Hamsterrad, du stampfst und stampfst, aber deine Ski halten nicht. Augenblicklich wissen wir, dass wir auch diesmal nicht einmal zum Gipfel des Mont Blanc aufbrechen werden können. Auf dem Weg zurück in das Matratzenlager sehe ich die Lichter der aufsteigenden Gipfelaspiranten von der Refuge de Grand Mulets. Auch dieser Weg führt zum Gipfel, hat aber keine derartigen Steilpassagen wie unserer. Ich liege bis sechs Uhr halbwach im Bett, die Gedanken kreisen ständig um den Berg, finde keinen Schlaf, nicht wegen des schnarchenden Italieners in der Ecke.

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Morgenabfahrt am Mer de Glace

Die Sonne glüht bereits um sechs Uhr auf den Osthang des Mont Blanc. Wir sehen, dass die Aufsteiger über die Grand Mulets ebenfalls abgefahren sind. Da oben müssen ebenfalls Massen von Schnee liegen. Ohne viel Worte zu verlieren wissen wir, was an diesem Sonnentag zu tun ist: Skitouren gehen. Wir fahren zunächst das Mer de Glace bis auf 2.900 m bei bestem Pulver ab. Das ist wahre Ironie. Hier ist es das Beste, was uns passieren kann. Keine Spalten, kein Bruchharsch, nur feinster Pulver. Und am Tacul wohl das Schlechteste. Nach einer Sonnenpause drehen wir um und steigen wieder hoch – zum Cirque Maudit, die uneinnehmbare Westseite des Mont Maudit; dieser Berg ist von seiner anderen Seite eine der Schlüsselstellen des Aufstiegs vom Refuge de Cosmique zum Mont Blanc. Wir laufen brav hoch, vorbei an legendären Bergen und Wänden, bewundern die Silhoutten von Grand Capucin, Mont Maudit, la Tour Ronde. Die Jause tut gut, jetzt knurrt der Magen, die wie immer spektakuläre Abfahrt über das Mer de Glace dauert auch seine Zeit. Auch wenn es in Montevers bereits wieder regnet, und ich müde in die Wagonbank sinke, geht es wieder weiter. Vom Bahnhof zum Auto, vom Auto in die Innenstadt, und irgendwann kurz vor Drei auch wieder zurück nach Hause. Am Berg lernt man Frusttoleranz, oder man schmeißt seine Ski- und Bergausrüstung für immer und final in die Kellerecke. Und am Berg lernt man Freundschaften, die es so im Tal vielleicht nicht gegeben hätte. Trotz oder wegen der widrigen Umstände. Letztlich dauert es keinen Tag nach unserer Rückkehr, dass ich den Wetterbericht wieder konsultiere. Und fast wie immer verspricht er in der zweiten Wochenhälfte neuen Schnee am Mont Blanc.

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hinauf und vorbei am Capucin

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im Cirque Maudit

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