Gamidaur: ein Reh im Nebel, sonst blind
Da hatten wir es wieder. Kein Schlaf, Stau in den Strassen und Schlechtwetter-Vorhersage auf die nächsten Tage. Normalerweise sind das Ingredienzen für einen Sporttag-GAU. Der Plan ging also gründlich schief, zwei Nächte auf der Bieler Höhe zu verbringen und der Silvretta wieder 2-3 Gipfel abzuknöpfen. Wir kehrten in Partenen (!) um, die Stimmung im Auto war “hervorragend”.
Mehr aus Frust als aus Nachdenken bogen wir auf dem Heimweg nach Latschau (985 m) ab, liefen die paar Meter zur Lindauer Hütte (1.744 m) hinauf. Viele Leute auf dem Weg, meist Rodler oder selbsternannte Wintersport-Experten. Den einzigen Spaß hatten wir an der LWS-Versuchsanlage der örtlichen Bergrettung. Zuerst suchten wir nach einem einzigen Verschütteten, dann nach zwei und schließlich nach drei. Man kann so ein Training nicht oft genug machen.
In Summe ein fast verlorener Tag. Da musste ich noch zwei Stunden auf den Crosstrainer, damit wenigstens meine Beine was davon hatten. Wenige Stunden später hatte mich der Wecker bereits vor eine Tasse Kaffee gesetzt, wir packen in Minutenschnelle unser Zeugs und fahren hinaus in die Dunkelheit. Es regnet.
In Mels biegen wir in die Strasse Richtung Weisstannental, parken in einer schmale Lücke hunderte Meter nach dem Waldheim (ca. 840 m). Es schneit mittlerweile. Wir schnaufen im Autoinneren durch, öffnen die Türe und organisieren uns im Schein unserer Stirnlampen. Irgendwie sind wir noch von unserem kleinen Abenteuer am Blankuskopf aufgeputscht. Ich zumindest, meine Tourenbegleitung findet es nicht so witzig. Immer noch nicht. Die erste Etappe führt uns auf teils glatten Spuren zur Ebenwald Alpe (1.411 m). Die Ski stöckeln, hin und wieder ist im Dunkeln ein Fluch zu hören. Orientierungsprobleme gibt es hier nicht. Dafür ist die Spur zu ausgelatscht, und diesen Wegabschnitt sind wir schon mal auf unserem Weg zum Garmil (2.003 m) gegangen. Ein Reh kreuzt unseren Weg, dann verschwindet es wie alles andere im Nebel.
Wer meint, Skitouren sind was Romantisches, irrt. Hier der Beweis.
Wir folgen weiter der Spur, aber je weiter wir kommen, desto stärker wird wieder Wind und Schneefall. Die Sicht beträgt rund zehn Meter, wenn man einen Anhalt wie einen Baum oder Fels hat. Ansonsten müssen wir uns fast bücken, um nach der Spur Ausschau zu halten. Es geht beständig aufwärts, immer mehr Schnee fällt, dann sind wir auch schon über den Bäumen und am Grat. Wir sehen nicht, wie weit es links und rechts hinunter geht, und auch die nahen Gipfel über dem Weisstannental (Hühnerchopf, Steingässler z.B.) bleiben unsichtbar.
Die Nebelsuppe lichtet sich für einen Augenblick
Mit jedem kleinen Gupf glauben wir schon am Gipfel zu sein, und doch zieht die Spur weiter. Aber dann, irgendwo im völligen White-Out, endet die Spur an einem felsigen Vorsprung, und es geht zu allen Seiten nurmehr abwärts. Am Gamidaur. In zwei Minuten sind wir abfahrtsbereit, gehen nochmals die Abfahrt durch. Dicht beinander bleiben, der Spur folgen.
Ist das der Gipfel des Gamidaur (2.309 m)?
Die ersten Hänge sind eine Katastrophe. Der Schnee ist locker, aber ich sehe gerade mal über meine Skispitzen. Und das am Grat. Im Schritttempo geht es hinunter. Mühsam. Bald sind die ersten Bäume sichtbar, wir trauen uns mehr. Der Nebel lichtet sich allmählich, und auf dem breiten Rücken oberhalb des Karbodens ist es dann so gut, dass wir in Schwüngen durch den Pulverschnee toben. Wir jagen im Duett nach kleinen Kuppen und Schanzen. Erst auf dem Güterweg an der Ebenwald Alpe müssen wir uns einbremsen, fahren über harten Schnee ab und unterschreiten die Wolkendecke. Sargans liegt nun unter uns, und wir sehen zu den Churfürsten hinüber.
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[…] das Rheintal hochfahren, bei Sargans abbiegen und Mels ansteuern (evt. auf den Garmil gehen, den Gamindaur? Die andere Talseite im Norden böte den Tschuggen…). In Vermol (1.067 m) ankommen und beim […]
[…] zum Madchopf zu Fuß gehen. Der Wind steht, wir sehen heute sehr weit. Über das Weisstannental (Gamidaur) nach Süden, oder nach Norden in Richtung Steingässler, Selun und Brisi, Altmann und Wildhuser […]
[…] der Bushaltestelle Rienzi im Eingang des Weisstannentales bis hinauf zur grasigen Kuppe des Gamidaurspitz (2.308 m), durch Nadelwälder und freie Alplandschaften, die Geräuschkulisse ist schweizerisch: […]
[…] Die Alternative: unsere schweizer Nachbarn. Heute: auf den Garmil, quasi der kleine Bruder des Gamidaur oberhalb von Mels (500 m) bei Sargans. Alternativ könnte man von Mels auch eine einfache, schöne […]
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