Lost in the Rain
Wir wußten, dass das Wetter umschlagen würde. Gehofft haben wir, dass es über die Pässe hält. So schön wie über das Fenetre de Durand würde es aber nie mehr werden, in den nächsten Tagen. Um 06.15 schoben wir unsere Räder aus dem Keller des Gasthauses Edelweiss in Villeneuve, sagten “Arrivederci” zu unserem Wirt, der extra früh zum Frühstückmachen aufgestanden war. Der Himmel grau, die Wolken tief, nicht einmal die Bergdörfer auf den gegenüberliegenden Hängen waren auszumachen. Das erste Etappenziel einer sehr langen Tagesstrecke, die hochalpines Gelände inkludierte, war das Valsavarenche, eine unter Gran Paradiso-Aspiranten wohl bekannten Talschaft.
Von Villeneuve (665 m) geht es mehr oder weniger schnurstracks hinauf durch kleine Weiler wie Martignon oder Champlong. Dieser Hang ist mit vielen kleinen Sträßchen bespickt, nur wenige sind beschriftet, und unser Guide “Alpencross” bleibt hierbei ebenfalls vage. Unser Kartenmaterial (IGC N. 3 Il Parco Nazionale del Gran Paradiso, 1989, 1:50.000) erwies sich als nicht Detail-genau. Genauer genommen als falsch. Was auf der Karte einfach zu navigieren aussah, kostete uns rund 1,5 Stunden an Orientierungsfahrten, bis wir den richtigen Weg gefunden hatten. Hier hätten wir uns von unserem Guide ein-zwei Zeilen gewünscht, der uns die richtige Straßenführung in der Ortschaft Champlong beschrieben hätte. Stattdessen stand im Buch zu lesen: “Das Kartenmaterial ist leider ungenau.” Und was?
Lange Rede, kurzer Sinn: unsere Empfehlung ist, gleich die Straße von Villeneuve nach Introd zu nehmen und dann über die asphaltierte Straße nach Buillet und weiter ins Valsavarenche zu fahren. Wer sich dennoch den Champlong-Ausflug antun will, für den haben wir hier eine kleine Karte vorbereitet, um den richtigen Weg ohne Verhauer zu finden:
Die ungenaue Karte bei Champlong: blaue Pfeile zeigen irreführende Wege; die entscheidende Abzweigung (grüner Kreis) und die grüne Linie weisen den richtigen Weg
Wichtig ist also, in Champlong nicht, wie aus der Karte anzunehmen ist, den kleinen asphaltierten Weg in der Kurve nach rechts oder den Feldweg weiter oben ebenfalls nach rechts zu nehmen. Erster führt nach unten nach Croix Blanche, zweiterer auf einen nicht näher markierten Wanderweg. Stattdessen muss man durch das Dörfchen durchfahren (also nach links der Straße folgen), bis sich die Straße bei einem Wasserkanal teilt. Hier muss man trotz Fahrverbotsschild nach rechts hinauffahren, nicht nach links (führte ins Nirvana…). Die Straße schlängelt sich über zwei Spitzkehren zu einer weiteren Straßenkreuzung (nun Schotterbelag) und ist keine Sackgasse, wie auf der Karte angezeigt. An dieser Kreuzung nach links abbiegen und diesem Karrenweg nun stur folgen. Er führt bis Chevrère, wo man am besten den Talboden über eine Brücke (kurze Abfahrt) kreuzt und dann wenige Meter zur Straße ins Valsavarenche hochfährt.
Wir hatten beträchtlich Zeit verloren, und waren immer noch fast im Tal (Chevrère, 1.108 m). Der Himmel hatte schon den einen oder anderen kurzen Nieselregen abgelassen. Tunnel für Tunnel, Ortschaft für Ortschaft fuhren wir das Tal hoch, dann endlich durch Valsavarenche (Degioz, 1.504 m), später durch Eaux Rousses, und final im Starkregen an der Alp Terre vorbei nach Pont (1.960 m). Es schüttete dermaßen, dass wir im nahegelegenen Hotel / Restaurant Schutz suchten. Ausgekühlt, nass, die weissen Hände an einer Schale Café au lait geklammert. Eines wurde immer klarer: den Alpenübergang über den Col de Carro ist an diesem Tag nicht zu packen. Bei diesem Wetter wollten wir nicht einmal mehr zum Col del Nivolé.
Das Wetter ließ nicht nach, unser Frust stieg, und zwei Stunden später immer noch am gleichen Fleck im Restaurant hatten wir einen Liter Weißwein, eine Käseplatte und den Entschluss, über Nacht hierzubleiben, intus. Den Nachmittag verbrachten wir im Bett, gingen bei einer Regenpause kurz zur Albuerge Gran Paradiso hoch, um den Weg für morgen früh zu sondieren. Wir hatten nur einen Wunsch für den nächsten Tag: keine tiefen Wolken, die uns die Orientierung für diese kritische Passage rauben würden. Wir wollten und mußten über den Col de Carro.
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[…] wir dachten, es könnte nicht mehr ärger kommen als die Passage über den Col de Carro. Oder dem Regentag im Valsavarenche. Aber hinterher ist man immer schlauer. Später als üblich (gegen 7.00) verließen wir Val […]
[…] Ein Wochenende mehr, das wir gemeinsam verbringen können. Das Meteo bestimmt unseren Kurs, und wir fahren über den San Bernardino ins Aostatal. Da waren wir ja schon mal, auf einer Trans-Alp mit den Mountainbikes. Den Weg ins Valsavarenche kennen wir daher mehr als gut, in Pont sind wir komplett nass im Berghotel abgestiegen. […]
[…] dem frustrierenden Vortag im Valsavarenche machten wir uns wieder sehr früh auf diese Schlüsselstrecke der gesamten Radtour. Der erste […]
[…] hatte diese Etappe rund 105 Kilometer und ca. 2.700 Höhenmeter. Am nächsten Tag ging es ins Valsavarenche. Kategorie: Italien, Mountainbiking, SchweizTags: Aosta > Martigny > mtb > Transalp > […]
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