Am Ortler: und plötzlich am Gipfelkreuz
Die Wettervorschau hatte uns nach Südtirol gebracht (siehe unsere Tour auf das Stilfser Joch), und da wollten wir endlich mal den Ortler mitnehmen. Natürlich macht man eine solche Unternehmung nicht ad hoc, die Planungen einer Ortler-Tour gehen schon in das vergangene Jahr zurück. Von Sulden (1.857 m) brachen wir am Samstag zur Payer-Hütte (3.027 m) auf, bei besten Wetterbedingungen. Der Weg ist gut beschriftet und quert zunächst einen schönen Föhren-und Lärchenwald, später einen großen Geröllhang bis zur Tabarettahütte. Von hier wird der Pfad etwas enger, die Befestigungen etwas schlechter, kreuzt er ein weiteres Geröllfeld bis hinauf zur Bärenkopfscharte. Von hier geht es schon etwas luftiger am Grat entlang bis zur Hütte hinauf, die sehr exponiert über dem Grat unterhalb der Tabarettaspitze thront.
Blick hinauf zur Bärenkopfscharte
Den Nachmittag verbrachten wir eher faul auf der Hütte. Das Wetter verschlechterte sich, der Himmel zog zu, starker Wind kam auf. Rückzug in die kleine aber feine Stube der Payer-Hütte. Es gab genug Alpin-Literatur zum Schmökern, und auch einen heißen Kachelofen für sie. Gegen Abend wurde die Hütte aber voll, viele hatten sich auf einen Ortler-Aufstieg am Sonntag einquartiert. Das Abendessen (reichhaltig) wurde im Schichtbetrieb in Angriff genommen, aber schon um 20.00 lagen wir in unserem Stockbett im Lager.
die Payer-Hütte am Gratkamm, der Ortler in Wolken
Das Wetter hatte sich gegen 04.00 nicht gebessert. Starker, sturmartiger Wind, dichte Bewölkung und schlechte Sicht ließen Zweifel aufkommen. Gegen 05.00 brachen wir auf. Da vor uns schon einige Seilschaften auf dem Normalweg aufgebrochen waren, waren wir uns sicher, dass wir eine Spur auch in der dicksten Nebelsuppe haben würden.
Aufbruch in der Früh, Blick zurück zur Payer-Hütte
Nach der ersten Firnhang-Querung ging es gleich ans Eingemachte. Eine kurze Stelle zum Abklettern, dann über eine Geröllflanke zu einem Gratvorsprung. Diesen überkletternd folgten wir dem Grat, mal auf der linken, mal auf der rechten Seite, dann über alle Hindernisse kletternd. Wir kamen gut voran, wir gingen ohne Seil und gingen auch die mit II oder III ausgewiesenen Kletterpassagen recht ungestüm an. Erst bei der zweiten Firnquerung, die auf das Gletscherfeld führt, legten wir das Seil an, sicherten uns gegen einen potentiellen Spalteneinbruch.
Der Wind wurde sehr heftig, wir drangen nun in die Wolken ein, hatten aber stets eine fette Spur vor uns, so dass auch der Durchstieg durch das Bärenloch zur Biwakschachtel keine Schwierigkeit darstellte, zumindest was die Orientierung betraf. Wir gingen ein recht anständiges Tempo, mussten oft andere Seilschaften überholen, was recht kraftraubend war (eine Parallelspur aufzumachen). Aufgrund der geringen Sichtweite (vielleicht fünf Meter) hatten wir auf dem Gletscherrücken im steilen wie in der eher flachen Passage nie richtig eine Ahnung, wie weit wir uns noch vom Gipfel befanden. Wir hatten mehr mit dem Wind zu kämpfen, der uns hin und her schob, als wir dann “plötzlich” vor dem Gipfelkreuz (3.905 m) standen. Irgendwie kam uns das wie am Mönch vor.
Die Sicht war null, schnell ein Gipfelfoto und gleich wieder in den Abstieg. Die Gegend war einfach sehr ungastlich. Teilweise hatte ich Mühe, aufgrund des starken Windes Luft zu schnappen. Auf dem Gletscher begegneten wir noch zahlreichen Seilschaften auf dem Weg nach oben, doch wir hatten andere Sorgen. Der Firn war weich, eine heikle Passage oberhalb des Biwaks passierten wir recht langsam, und dann kamen wir zum felsigen Grat, den wir entweder abkletterten oder uns mit Hilfe angebrachter Abseilringe abseilen konnten. Gegen Ende hatten wir sogar einen kurzen Verhauer, der uns gleich in sehr brüchiges Gelände führte (der Weg ist hin und wieder mit einer roten Farbe markiert, aber nicht durchgehend und immer offensichtlich). Trotz allem macht die Kraxlerei am Grat Spaß (Gipfelweg von der Payerhütte und zurück: 5 Stunden), und kaum eine Stunde nachdem wir die Payer-Hütte passiert hatten, riß der Himmel auf und gab die Ortler-Spitze für den Rest des Tages frei. Aber da lagen wir schon im Bad von Prad und genossen den Pool…
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[…] auf 3 zusammen und kamen so recht flott auf den Gipfel des Großlitzner (3.109 m). Die Aussicht zum Ortler, Piz Palü und Tödi war heute überwältigend. Damit war aber auch schon die Kletterei im Großen […]
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[…] Abschluss dieses Traumwochenendes (Stilfser Joch, Ortler) ging es nach einer wunderbaren Sommernacht am Reschensee nach Imst (850 m), von wo wir unsere […]
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[…] in der Früh fahren wir über Prad nach Sulden, unmittelbar unter den Ortler und die Königsspitze, überlassen das Stilfser Joch den Motorrädern, die ab nächstes Jahr eine […]
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[…] Buch haben wir unter anderem für unsere Touren auf den Ortler, Piz Palü, Tödi oder den Roche Faurio zu nutzen gewußt. Sicherlich eine gute Entscheidung, […]
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Reisen und die Natur, inklusive Skitouren, Bergsteigen und Wanderungen, das sind die Inhalte meines Blogs "Super gsi - Beginner's Mind". Mehr dazu hier...
Toller Bericht! Danke. Schade, dass das Wetter nicht mitgespielt hat.
hallo Jens,
ja, die Aussicht hätten wir gerne gehabt. So war’s ein stürmischer Blindflug. Erst gegen 11.00 war der Gipfel klar, aber um die Zeit war keine Seilschaft mehr oben. Früh herunterzukommen war oberste Priorität. Der Firn war schon sehr weich, die Spaltenbrücken wollten wir nicht testen. Und am Vortag ist am frühen Nachmittag ein ordentlicher Serac in die Nordwand gerauscht. Aber die Gratkletterei war sehr fein, trotz der Böen. Empfehlenswert!
Ihr seid ja vielleicht zwei Bergfexe! Bewundernswert für den Rest der Spezies, der sich primär horizontal fortbewegt. Gratuliere zum Gipfelsieg!
hallo Helmut,
schon ewig nichts von dir gehört! Immer noch im eJournals Geschäft? Vielleicht sieht man sich ja im Herbst in Innsbruck? Schöne Grüße
-mark