Die Kür: Piz Bernina
Nach der “Pflicht”-Tour am Piz Palü wollten wir und Mathieu natürlich noch eins drauflegen. Die Tourmöglichkeiten von der Berghütte Diavolezza (2.973 m) sind allerdings etwas beschränkt: Piz Palü und den Piz Cambrena kann man relativ “gerade” angehen, die anderen Spitzen um Piz Zupò, Piz Argient und Piz Bernina sind mit einem weit längerem Weg machbar. Aber es war klar: wir waren hier, das Wetter spielte mit, und akklimatisiert waren wir auch schon. Warum also nicht den höchsten Gipfel der Ostalpen meistern?
Das Tagesziel: der Piz Bernina, mit 4.048 m der höchste Gipfel der Ostalpen
Das Unternehmen “Piz Bernina” hatte so seine Tücken. Weite Teile der Strecke konnten wir nicht einsehen und über den günstigsten Weg entscheiden. So fiel die Wahl auf den kürzesten Zustieg über den Fortezza-Grat und nicht über den zerklüfteten Morteratsch-Gletscher. Doch schon die Abfahrt im Halbdunkel von der Diavolezza auf den Pers-Gletscher war eine Mutprobe. Eine Nassschneelawine vom Vortag lag nun über dem Abhang, und die betonharten Schneebollen waren kaum zu erkennen, so dass Crashs und Stürze fast unausweichlich waren.
Vor uns der Fortezzagrat, den wir leicht rechts steil umgingen
Der anschließende flache Marsch über den Pers-Gletscher zum Aufschwung zum Fortezzagrat (ca. 3.200 m) war ein schönes Warmlaufen. Auf dem Fortezzagrat allerdings mussten wir vor der Kletterpassage westlich kurz abfahren und über die Foura sehr steil zwischen Eisabbrüchen und am Seil in Spitzkehren einige Hundert Höhenmeter hochsteigen. Erst oberhalb der Spalten an der Bellavista (ca. 3.600 m) konnten wir uns wieder ausbinden.
oft mussten wir anfellen und wieder abfellen – die Tour war ein anstrengendes Auf- und Ab
Die Traverse entlang der Bellavista war landschaftlich sehr aufregend, trotzdem passierten wir diese 2.000 Meter eher flott – bedrohliche Seracs warnten uns, hier nicht zu trödeln. Erst nach einer weiteren Abfahrt (hier kreuzten wir die Aufstiege zum Piz Zupò und Piz Argient) waren wir auf Höhe des Crast Agüzza auf der sicheren Seite. Nach einigen Stunden standen wir also unweit des Rifugio Marco de Rosa (3.597 m), welches bei Schlechtwetter auch als “Falle” bezeichnet wird. Warum, wissen wir nicht, aber unser Weg führte nicht zum Rifugio an der Fuorcla, sondern über das immer steiler ansteigende Schneefeld gegen Westen und den Südostgrat des Piz Bernina
In der Mitte die Fuorcla Crast’ Agüzza, links der gleichnamige Berg, rechts geht’s zum Piz Bernina; Blick von der Traverse Bellavista
steiler Anstieg zum Spallagrat
Unser Skidepot errichteten wir knapp unterhalb des Felsgrates (Spallagrat), dem wir dann schrittweise und schon etwas schwerer atmend folgten. Hier war der Schnee ein bisschen weich, aber mit Pickel und Steigeisen fanden wir weiterhin guten Halt. Erste leichte Kletterpassagen folgten, und es gab genug Schnee, um auch Gratköpfe zu umgehen. Der nächste Abschnitt war vielleicht der Heikelste: eine gut 200m lange Passage unterhalb des Spallagrats auf seiner nordöstlichen Flanke, vorbei am Punkt 4.020 (La Spalla) aber oberhalb des Bergschrunds. An manchen Stellen wich der Trittschnee Eis. Hier musste man sich schon mit allen Vieren an der steilen Flanke “weiterhanteln”, der Blick nach unten war faszinierend schaurig. Vom Felsgrat ging es dann nunmehr recht unschwierig zum Gipfel des Piz Bernina (4.048 m). Wir hatten es gepackt, waren gebannt von den Blicken in die Tiefe, und machten uns auf den Heimweg, der länger dauern sollte, als uns lieb war.
Traverse unterhalb des Spallagrats zum felsigen Gipfelaufbau
Die Traverse zum Skidepot ging glatt und gut, die Abfahrt zur Fuorcla beim Rifugio war aber unangenehm (Windharsch). Das erste, obere Teilstück am Morteratschgletscher war umso feiner, allerdings mussten wir aufgrund der Spaltenzonen bald gegen Osten abdrehen, wiedermal unsere Felle anlegen, Höhe gewinnen, wieder in ein anderes Seitenkar abfahren, wieder Felle anlegen, um auf den unteren Teil des Fortezzagrats zu gelangen, um schließlich über diesen und den Pers-Gletscher abzufahren. Hier waren wir schon reichlich müde, dehydriert, und die letzten 200 Höhenmeter Gegenanstieg zur Diavolezza verlangten dann schon viel Willenskraft.
Am Gipfel des Piz Bernina, Blick zum Punkt 4020 und den Spallagrat. Schön zu sehen die Traverse über das steile Schneefeld oberhalb des Bergschrunds
Nach elf Stunden saßen wir dann an den Treppen der Hütte, tranken Apfelsaft gespritzt und holten unsere Sachen aus dem Depot. Wir waren erschöpft und sehr glücklich, den Weg aus den Spaltenzonen und den Seracs trotz nachmittäglicher Sonne gut gemeistert zu haben. Aus der “Ferne” konnten wir Zeugen von Eisstürzen werden (im sogenannten “Labyrinth” des Morteratsch-Gletschers). Die Abfahrt über die Skipiste zur Talstation der Diavolezza-Bahn war Erholung pur, und nach elf Stunden “Skischuhe” war der Wechsel in unsere Sneakers und Schlapfen eine Wohltat. Im Bus fuhren wir dann heim, eine Königin und zwei Könige.
links bis rechts unten der obere Morteratschgletscher, rechts oben die Traverse unterhalb der Bellavista
Diese Tour ist sicherlich nur bei sehr guten Verhältnissen machbar (Wetter wie Schneelage). Ich weiss nun auch, warum in Führern dies nur Leuten empfohlen wird, die über Gletschererfahrung und eine gewisse körperliche Kondition verfügen. Unser Weg war lang und verlangte ungefähr 1.800 Höhenmeter Anstieg ab.
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