Sonne und Finsternis am Peak Karakol
Nach unserer Aklimatisationstour auf den Peak Prjevalsky hatten wir unseren Realitätssinn noch auf scharf gestellt. Es würde kalt werden am Peak Karakol, windig, schwierig, mühsam. Mit Sonne am Vormittag, Wolken am Nachmittag. Zurück in Karakol gab es nochmals eine heiße Dusche, aber unsere Klamotten begannen schön langsam an zu duften.
Auf dem Weg ins Djeti-Oguz Tal, rechts der Heartbreak Rock
Die Anfahrt mit unserem Truck dauerte diesmal über zwei Stunden, die Straße war schwierig, da half auch der Kurort mit heißen Quellen und die schönste Landschaft nicht. Das erste Lager erreichten wir nach wenigen Kilometer Geländemarsch, das zweite (“Czech Camp”) ebenso. Ein herrlicher Ort, wir saßen barfuß auf unseren Iso-Matten, relaxen und Füße erholen. Unsere Träume und Gedanken schweiften nur um ein Thema, unseren Berg der nächsten Tage, Peak Karakol und seine 5.282 Meter, wir sahen ständig hinauf, ob der Wolken und der Sonne.
Das Tal hoch, in der Bildmitte der Oguz-Bashi Peak
Auch die nächsten Tage sollte das Wetter stabil schön bleiben, und wir brachen auf in die Höhe, zunächst über lange Moränen, später über Felsrücken, dann über erste Schneefelder. Den Gletscher erreichten wir ca. auf 3.500 m Seehöhe, und am frühen Nachmittag unser Lager 3 am Djeti-Oguz Pass auf 4.150 m. Ein Schneeleopard hatte in der Früh hier noch seine Spuren hinterlassen, aber keine Bergsteiger.
Von hier an wurde es ernst, wir mussten einen langen Grat begehen, im Schnee, Eis und Fels, mit vielen sehr steilen Passagen, die Steigeisen, Pickel und Seil erforderlich machten. Dazu noch ordentlich viel Gepäck am Rücken. Unser Schnaufen wurde hörbarer, anstregender. Manchmal hatte ich keine Vorstellung, wie man einen 50° steilen Schnee- und Eiscouloir hochkommen soll. Aber es geht. Frontzackentechnick. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Schritt für Schritt. Und dann erklimmt man den ersten Felsturm, auf der anderen Seite wieder hinunter, dann den zweiten, und dies geht den halben Tag so weiter. Im Camp auf 4.600 m Seehöhe lagen wir dann recht erschöpft im Schlafsack. Es war ein schöner Tag gewesen, trotz hüfttiefen Schnee, überhängenen Wechten, sich aufreißenden Spalten.
Eis und Schnee entlang eines langen und mühsamen Grates
Alexander bleibt weiter wortkarg, das Wetter sonnig. Am nächsten Morgen sind meine Schuhe gefroren, ich muss sie in den Schlafsack nehmen, um sie aufzutauen. Noch im Dunkeln brechen wir zum Gipfel auf, marschieren langsam einen steilen Gletscherhang hoch, überwinden eisige Steilstufen und kaum sichtbare Spalten im Schnee. Oben am Pass auf 5.050 m sehen wir direkt zum Gipfel hoch, und zum eisigen, 100 m langen Couloir, der unser Weg hätte sein sollen. Meine Begleiterin schaut besorgt drein, Alexander tüffelt, wie man mit drei Eisschrauben da hinaufkommen kann. Wir müssen uns entscheiden, der Gipfel ist zum Greifen nah. In zwei Stunden wären wir durch, dann noch quer zur Spitze. Aber meine Begleiterin weigert sich, die Gipfelbesteigung muss vertagt werden. Auf nächstes Mal, auf ein anderes Jahr.
Enttäuscht kehre ich ins Hochlager zurück, wärme meine Füße im Schlafsack auf, packe wortlos unsere Sachen zusammen. Es geht wieder zurück, über den langen Grat mit seinen vielen Türmen und Wächten, und trotz des Abseilens geht es unendlich langsam. Erst kurz vor Abend erreichen wir Lager 3, bauen die Zelte auf, verkriechen uns, schmollen, essen. War’s das? Das Wetter dreht, am nächsten Morgen schauen wir schon in einen Wolkenhimmel. Unser Sonnenfenster hätte uns exakt genug Zeit gegeben, aber wir haben den Gipfel nicht mitgenommen. Die Stimmung bessert sich nur langsam, wir erholen uns zu Mittag auf Camp 2, bevor wir für die Nacht auf Camp 1 weiter abstiegen.
Wir hatten unendlich viel gelernt, auch wenn wir den Peak Karakol so nah doch nicht erreichen konnten. Es hat uns nur bestärkt, diese Art der Touren weiterzutreiben, mehr zu lernen, technisch und psychisch stärker zu werden. Es ist soviel möglich! Am nächsten Morgen wandern wir zum Treffpunkt mit unserem LKW, vertreiben uns die lange Wartezeit mit Tee kochen und Beeren sammeln, essen alles auf, was noch in Oleg’s Rucksack zu finden ist. Es geht zurück nach Karakol, am Tag darauf mit einem shared Taxi nach Bishkek, und schließlich am darauffolgenden Tag mit einer Antonow An-24 nach Dushanbe. Das nächste Land wartet.
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