Ascuncion und viel Ungewissheit – Teil 3
Eine Serie über Paraguays Hauptstadt (Teil 1, Teil 2)
Eine Reise nach Ascuncion ist immer auch ein Blick in die Vergangenheit. Das gilt zunächst für alle, die mit dem Überlandbus in die Stadt kommen: sie passieren eine Vielzahl an neuen Vierteln und Straßen, die in den letzten Jahrzehnten aus dem Nichts entstanden sind. Hinter dem üblichen südamerikanischen Straßengewimmel aus Taxis, Fruchtständen und Abgasen verbergen sich Schicksale, die wohl nie aufgeklärt werden.
Paraguay ist kein Paradies, und Ascuncion schon gar nicht. Aber dass die Zeiten auf besseres hoffen lassen, das ist unbestritten: bis 1992 herrschte noch die Milität-Junta, und über Stroessner, der wohl sowohl als Synomym für diese Zeit steht als auch als tatsächlicher Machthaber, der viele auf dem Gewissen hat, will ich noch das eine oder andere erzählen.
Wie viele Menschen hier stammten Stroessners Vorfahren (in seinem Falle der Vater) aus Deutschland, die sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert in Paraguay angesiedelt hatten. Das Deutsche ist in der Tat überall in Paraguay vertreteten, in den Namen der Menschen, der Restaurants und Geschäfte. Als der zum General aufgestiegene Stroessner 1954 die Regierung putschte, besetzten seine Anhänger sämtliche Positionen in der Politik und unterdrückten über Jahrzehnte hinaus jegliche politische Opposition mit Folter, Entführung und Mord. Geschätzte 3.000 Menschen starben.
Stroessner zeichnete sich in seiner politischen Grundhaltung als Feind des Kommunismus aus und pflegte nicht nur gute Beziehungen zu anderen südamerikanischen (Militär-)Diktaturen, sondern nannte auch viele Neonazis gute Freunde. Bis zu den 90ern galt Paraguay (neben anderen südamerikanischen Ländern) als Hort und Zufluchtsstätte vieler ‚verschwundener’ NS-Größen, darunter Eichmann und Engele. Der deutsche Fliegerheld Rudel saß des öfteren bei Stroessner am Tisch.
Die Vergangenheit hält Ascuncion weiter im Würgegriff, denn politische Unruhen und eine noch junge, noch nicht weit entwickelte Demokratie-Kultur sind zu beobachten. Auf unseren Wegen durch die Stadt war die Präsenz der Polizei und des Militärs allgegenwärtig, und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Kräfte im Hintergrund die Regierung bestenfalls ‚im Auge behielten’.
Auch wenn die Schulkinder mit den Bildern ‘ihrer’ politischen Führer in den Straßen wehten, und auch wenn die Häuserzeilen mit Aufrufen zur Stimmabgabe für diese und jene Partei zur Gänze beschmiert waren, all diese politische Betätigung sah aus wie eine dünne Eisschicht, unter der Wasser jederzeit von einer Junta angeheizt werden könnte. Dieses Eis ist brüchig, und Ascuncion ist heiß.
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